Gaza: Blumen zwischen Trümmern

von Luca Hubschmied 20. Mai 2017

Im Rahmen der Veranstaltung «10 Jahre Gaza-Blockade. 10 Jahre Aktionen» zeigte das Kino Reitschule den Film «Blumen zwischen Trümmern» der Schweizer Regisseurin Franziska Schaffner.

Eine Gruppe Frauen und Männer sitzt in einem nüchtern eingerichteten Raum, einige stehen eng beieinander in der Mitte, eine Frau scheint zu weinen, andere halten sie an den Schultern fest. Die Szene im Film zeigt eine Psychodrama-Session in Gaza. Maja Hess und Ursula Hauser sind die Protagonistinnen in dem Dokumentarstreifen «Blumen zwischen Trümmern», der im Februar 2017 auf SRF Premiere hatte.

Die beiden Frauen reisen seit fünfzehn Jahren regelmässig in den Gaza-Streifen und unterstützen palästinensische Psychologinnen und Psychologen in ihrer Arbeit mit der ansässigen Bevölkerung.  Dies ist bitter nötig, erlebten die Menschen im Gaza-Streifen doch seit 2007 drei Kriege, ohne Möglichkeit, davor zu fliehen. Inmitten dieser humanitären Katastrophe stellt sich daher nicht nur die Frage nach physischer Unversehrtheit, sondern genauso dringend jene nach psychischer Gesundheit.

Der Film «Blumen zwischen Trümmern» zeichnet ein intimes Porträt von Maja Hess und Ursula Hauser, zwei Frauen, die mit einem unerschütterlichen Glauben ihrem dortigen Wirken nachgehen. In Gaza unterrichten sie Psychologinnen und Psychologen in der Technik des Psychodramas. Diese Form der Psychotherapie wird bei der Arbeit mit Opfern von Traumata eingesetzt, und davon scheint es in der kriegsgeplagten Region des Gaza-Streifens viel zu viele zu geben.

Ein Leben in Unsicherheit

Der Abend im Kino der Reitschule beginnt mit einer kurzen Einleitung durch Maja Hess, Ärztin und Präsidentin der Hilfsorganisation medico international Schweiz, und der Filmemacherin Franziska Schaffner. Es ist Montag, die Reitschule deshalb geschlossen, doch im Kino füllen sich die Reihen und ein spannend durchmischtes Publikum lauscht den Erläuterungen der beiden Frauen. Franziska Schaffner sagt, sie sei «sehr, sehr stolz darauf, dass der Film nun fertig gestellt werden konnte».

Die Situation in Gaza bringt nicht nur für die dortige Bevölkerung ein Leben in Unsicherheit, auch für die Arbeit an einem Filmprojekt stellen sich laufend wieder Schwierigkeiten: «Schwierig war die Ungewissheit, ob es wieder möglich sei, nach Gaza zu gelangen», meint Franziska Schaffner, «bis zur Einreise war jeweils nicht klar, ob wir wieder eine Bewilligung erhalten würden». Diese Ungewissheit hat sich mittlerweile gelegt: Seit der Ausstrahlung des Films, erklärt sie, erhalte sie von den Israelis keine Einreisebewilligung mehr. Die Frage, ob dies in direktem Zusammenhang stehe, bleibt für sie unbeantwortet.

Gruppentherapie und Theater

«Der Film», so erläutert Schaffner, «spricht nicht über politische Verhältnisse, er spricht durch die Geschichten, die darin erzählt werden». Dass dies gelingt, zeigte sich in den folgenden 52 Minuten, in denen die Kamera in «Blumen zwischen Trümmern» Ursula Hauser und Maja Hess begleitet, wie sie zum wiederholten Mal in den Gaza-Streifen reisen und ihre Arbeit mit den dortigen Psychologinnen und Psychologen fortsetzen.

Sie arbeiten in Gaza mit dem «Gaza community mental health programme» zusammen, einer der wichtigsten lokalen Organisationen im Bereich der psychischen Gesundheit. Dort unterrichten Hauser und Hess die Technik des Psychodramas, die Elemente der Gruppentherapie mit improvisiertem Theater verbindet. «Wir versuchen, in einem kleinen therapeutischen Rahmen so gut wie möglich zu verhindern, dass die Leute in eine passive Lähmung verfallen und sich dem Schicksal quasi fatalistisch ergeben, sondern wissen, dass es von jedem Einzelnen abhängt, was man tun kann», sagt Ursula Hauser. Dazu können die Betroffenen während einer kurzen improvisierten Theaterszene von der Opfer- in eine Täterrolle flüchten und so den Glauben an ihre eigene Handlungsfähigkeit zurückgewinnen.

Maja Hess erläutert nach der Filmvorführung: «Es ist wichtig, Gefühle nicht nur zu verbalisieren, sondern ihnen auch physisch Ausdruck zu verleihen. Gerade für die Frauen war es anfangs schwierig, Wut auszudrücken, und viele Männer hatten Mühe, ihre Trauer zu zeigen.»

Die erste Gruppe von zwanzig PsychologInnen hat die Ausbildung in Gaza bereits abgeschlossen, mit einem Diplom, das beispielsweise auch in Deutschland anerkannt wird. Maja Hess und Ursula Hauser können beruhigt sein, dass auch wenn sie nicht mehr in die kriegsgeplagte Region einreisen dürften, ihre Arbeit dort fortgesetzt wird.