Voller Freude verkündete Stapi Alexander Tschäppät diesen Montag, dass das Abstimmungsresultat einmal mehr zeige, «dass Bern eine sehr offene Stadt» sei. Genau dort, wo viele Ausländer lebten, sei die Initiative der SVP abgelehnt worden. «Die Ängste, die vielerorts vorherrschen» könne man in der Stadt Bern «nicht nachvollziehen».
Nun zeigt sich jedoch, dass in seiner Rechnung das Abstimmungsergebnis von Bümpliz/Bethlehem vermutlich keinen Platz fand. Mit knappen 50,06% – also 9 Stimmen Unterschied – hiessen die Stimmenden im Westen die Vorlage gegen die Masseneinwanderung gut. Genau in jenem Stadtteil, der mit der höchsten Ausländerquote von 32,4% glänzt. Hat der Stadtpräsident die Zahlen aus dem Quartier schlicht übersehen?
«Wandel der politischen Wahrnehmung»
«Nein, denn an den Resultaten aus dem Westen zeigt sich klar, dass ein Wandel in der politischen Wahrnehmung stattfindet», so Tschäppät auf Anfrage. Das Ergebnis hätte (einige Jahre früher) durchaus noch schlimmer herauskommen können. Umso glücklicher ist er, dass Bern eines der besten Resultate in der Schweiz erzielte.
«Natürlich wäre es besser gewesen, wenn alle Stadtteile der Initiative eine Abfuhr erteilt hätten», so der Stadtpräsident. Trotzdem sei das Resultat der gesamten Stadt sehr erfreulich und zeige, wie weltoffen die Bundeshauptstadt sei.
Für den Vizepräsidenten der SP Bümpliz/Bethlehem Szabolcs Mihalyi, der bereits seit 33 Jahren in Berns Westen lebt, ist klar, dass viele aus Protest der Initiative zustimmten. «Wie bereits bei Riedbach wurden auch bei dieser Abstimmung viele Stimmen laut, die ein klares Zeichen gegen den Rest der Stadt setzen wollten», sagte Mihalyi.
Der Westen wird übergangen
Bei verschiedensten Fragen der jüngsten Vergangenheit sähen sich die Bewohner des Quartiers von der Stadt übergangen. Der Vorwurf der Bevölkerung sei zwar nur teilweise berechtigt, liesse sich aber nicht einfach wegdiskutieren.
Viele zeigten sich besorgt, dass Probleme oft in den Westen abgeschoben werden. Das drücke sich in den aktuellen Abstimmungsergebnissen aus. «Die urbanen Gebiete, vornehmlich Bümpliz/Bethlehem, spüren den Spardruck am meisten.»
So sei es vor allem der SP-Stadtratsfraktion zu verdanken, dass die Stadt finanziell für die Quartierarbeit aufkommt, die einen wichtigen integrativen Auftrag übernehme, meint Mihalyi.
Probleme werden dem Stadtteil überlassen
In dieselbe Kerbe schlägt auch SVP-Grossrat Thomas Fuchs: «Der Westen wird immer wieder von der restlichen Stadt überstimmt.» Diese Benachteiligung wecke den Unmut in der Bevölkerung. Als Abstimmung beispielhaften Charakters gelte jene über die Schaffung einer Zone für alternatives Wohnen in Riedbach. Einzig der betroffene Stadtteil hatte sich letzten Jahres gegen dieses Vorhaben ausgesprochen.
Mit dem jüngsten Abstimmungsergebnis seines Wohnortes ist Fuchs jedoch sehr zufrieden. «Dass auf städtischem Gebiet trotz der sehr präsenten Gegenkampagne ein knappes Ja erzielt wurde, freut mich sehr», sagte Fuchs.
Für das Quartier im Grossen Rat
Weniger erfreut ob dem Resultat von letztem Sonntag ist Mihalyi. Für seinen Stadtteil bleibt er, trotz politischer Rückschläge, optimistisch. Im Grossrat will er sich, sofern er im März gewählt wird, für sein Quartier und die Stadt Bern einsetzen: «Der Kanton kann in weitreichendem Masse, etwa durch die Festlegung der Unternehmensteuern, Einfluss nehmen auf den Handlungsspielraum der Stadt. Die Stadt jedoch hat wenig Mitspracherecht beim Kanton und ist dort schlecht vertreten. Das muss sich nun ändern.»
Bümpliz/Bethlehem befinde sich im Wandel, in diesem Punkt schliesst sich Mihalyi der Meinung des Stadtpräsidenten an: «In Brünnen wächst ein neues Quartier, eine neue Schule wird gebaut – trotz Opposition der SVP – und Verkehrsmassnahmen wie neue 30er Zonen steigern die Lebensqualität kontinuierlich.» Es bleibt zu hoffen, dass die Entwicklungen Früchte tragen für das Miteinander in Berns Westen.