Ostermundigen besitzt, trotz seinen rund 18 000 Einwohner*innen und einem Anteil ausländischer Bevölkerung von über 30 Prozent, in einigen Bereichen noch den Charakter eines Dorfes. So gibt es etwa noch Bauernbetriebe und Ackerland, aber auch ein eigenständiges Vereinsleben, eine stolze Dorfgeschichte (man denke an den Sandstein fürs Münster!), kurz: Ostermundigen hat eine eigenständige Identität. Dies alles wird bei einer Fusion verschwinden, befürchten einige. Sie sagen: Nein danke! Sofern die Fusionsverträge nicht nachgebessert werden.
In der Tat hat Ostermundigen nebst durch und durch städtischen Attributen (S-Bahnanschluss, dem höchsten Hochhaus der Region, einer autofreien Siedlung, einem Schwimmbad, einer Industriezone …) einige noch eher unstädtische Eigenheiten: Dazu zählen die eigene Freiwilligenfeuerwehr und die über 60 Vereine und die Ortssektionen aller grösseren Parteien. Vom Albanischen Kulturverein über den Jodlerclub Frohsinn, die Musikschule Bantigen, den Pilzverein, bis zu den Verkehrskadetten führen alle die Ortsbezeichnung Ostermundigen im Namen.
Ängste bei «Zukunft Ostermundigen»
Seit wenigen Wochen gibt es einen weiteren Verein. Er nennt sich «Zukunft Ostermundigen», und er stellt sich gegen die Fusion, so wie sie momentan angedacht ist. Co-Präsident Hans Peter Kilchenmann sagt, Ostermundigen werde von Bern «überfahren». «Zukunft Ostermundingen» möchte jedoch «Partner auf Augenhöhe» sein. Fundamental gegen eine Fusion sei er nicht, räumt der ehemalige Gemeindepolitiker ein. Aber er fürchte, Ostermundigen könnte seine Identität verlieren. Überfahren fühlt sich die Gruppe einerseits von den Turbos in der Stadt Bern, aber auch von vielen Bewohner*innen im Oberfeld: «Dort wohnen zum grössten Teil ausgewanderte Stadtberner», sagt Kilchenmann. Das seien «viele Parteimitglieder der SP, die natürlich für eine Fusion sind.»
Wenn Ostermundigen dereinst bloss noch ein Quartier der Stadt Bern sei, ohne zugesicherte Vertretung in den politischen Gremien, fände er das schlimm. Deshalb bringe sein Verein das Thema zugesicherte Vertretung in einem künftigen Gemeinderat und im Stadtrat aufs Tapet. «Wir wollen das jetzt geklärt haben. Nicht erst dann, wenn die Sache gelaufen ist.» Illusionen mache sich er und seine rund dreissig Mitstreiter jedoch keine: «Die Fusion interessiert nicht gross. Die meisten denken wohl, eine Fusion ändert ja eh nicht viel. Diese Leute werden wohl erst merken, wie viel ändert, wenn wir gar nichts mehr zu sagen haben.» Kilchenmanns Eindruck nach einigen Infoveranstaltungen: die älteren Ostermundiger sind eher dagegen, die jüngeren sind indifferent oder dafür.
Die Fusion interessiert nicht gross. Die meisten denken wohl, eine Fusion ändert ja eh nicht viel. Diese Leute werden wohl erst merken, wie viel ändert, wenn wir gar nichts mehr zu sagen haben.
Abwarten bei den Kirchen
Abwartend verhält sich auch die Kirche. Es sei für die reformierte Kirchgemeinde zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, sich Gedanken zu einer allfälligen Fusion zu machen, sagt Sandra Löhrer, Kirchgemeinderatspräsidentin. Und überhaupt: ein Entscheid für eine Fusion der beiden politischen Gemeinden heisse nicht zwingend, dass auch die Kirchgemeinden fusionieren müssten. Ostermundigen sei auch früher, als es noch eine Viertelsgemeinde im Verbund mit Bolligen und Ittigen war, eine selbständige Kirchgemeinde gewesen. «Allerdings,» so Löhrer, «wenn der Entscheid auf politischer Ebene gefallen ist, werden wir uns wohl auch mit den Stadtberner Kirchgemeinden zusammensetzen.»
Bei der reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern tönt es ähnlich. Der Präsident des Kleinen Kirchenrats (Exekutive), Rudolf Beyeler, sagt: «Ausser einem informellen Gespräch mit einem Ostermundiger Gemeinderat haben meinerseits noch keine Kontakte stattgefunden.»
Die reformierte Kirchgemeinde Ostermundigen zählt etwas über 5000 Mitglieder und ist somit ungefähr gleich gross wie die Nachbarkirchgemeinde Nydegg auf Stadtboden. Auch diese hat noch keine Fühler ausgestreckt für die Zusammenarbeit mit Ostermundigen. Denn – wie alle anderen Stadtberner Kirchgemeinden – befindet sich auch die Nydegg im Fusionsprozess zur Gesamtkirchgemeinde Bern. In rund einem Jahr wird das Stadtberner (Kirchen-)Stimmvolk über dieses Grossprojekt abstimmen. Ein gesamtstädtischer Zusammenschluss von Kirchgemeinden kommt allerdings nicht vor 2025 zustande, und auch nur, wenn neun der zwölf bisherigen städtischen Kirchgemeinden zustimmen.