Friedensarbeit mit Sang und Klang

von Jessica Allemann 21. September 2012

An die tausend Menschen sangen auf dem Münsterplatz Lieder zu den Themen Völkerverbindung, Frieden und Versöhnung.

Unter dem Motto «La Paz Cantamos» haben fast tausend Menschen zusammengefunden und gemeinsam für den Weltfrieden gesungen. Organisiert wurde das zweite Berner Grosssingen in einer Zusammenarbeit der Vereine StimmVolk Schweiz und Offene Kirche. Neugierde, gesellschaftspolitische Anliegen oder einfach nur die Lust am Singen zogen die Menschen am vergangenen Wochenende auf den Münsterplatz.

«Vielleicht zu sehr ‹Friede, Freude, Eierkuchen›»

Martina aus Köniz hat von einer Freundin, mit der sie früher im Jugendchor gesungen hat, vom Friedenssingen erfahren: «Heute ist Samstag und ich habe nichts anderes vor – wieso also nicht mal vorbeischauen? Ich weiss nicht, was mich erwartet. Vielleicht wirds mir dann zu sehr ‹Friede, Freude, Eierkuchen›, aber vielleicht singe ich auch mit, weil ich Lust habe, wieder ein wenig zu singen.»

«Für den Weltfrieden singen»

Silvia aus dem Toggenburg und Katrin aus Basel sind den langen Weg angereist, um auf dem Münsterplatz zu singen. Silvia: «Es war einfach schön, miteinander zu singen. Wir haben auch im Toggenburg solche Treffen, viele reisen von einem Anlass zum anderen, weil es einfach schön ist, miteinander zu singen.» Katrin: «Normalerweise singt man ja in der Kirche zusammen, da gehe ich aber nicht so oft hin. Ich finde es deshalb schön, dass man hier auch ausserkirchlich und nicht unbedingt religiös motiviert für ein gemeinsames Ziel wie den Weltfrieden singen kann.»

«Free Hugs»

Nadine aus Bern ist zum ersten Mal dabei und trägt ein Schild mit der Aufschrift «Free Hugs» mit sich: «Ich bin gekommen, um die Message der Liebe weiterzugeben. Gerade im heutigen Zeitalter, in dem alles so degeneriert ist, überall Kriege sind und alles recht negativ dargestellt wird, möchte ich etwas Positives in Form einer Umarmung zurückgeben, anstatt nur zu konsumieren. Manche Menschen begegnen mir verschlossen und gehen auf Distanz, während andere offen sind und mir lachend in die Umarmung laufen.»

«Das Friedenssingen passt gut zu uns»

Ueli aus Wolfisberg ist mit seiner Seminargruppe von Naturaufstellern aus dem Emmental nach Bern gereist: «Wir sind aus dem Wald direkt in die Stadt gefahren und haben das Singen als wunderschönes Ereignis erleben dürfen. Wir machen mit der Naturaufstellung ja auch eine Art Friedensarbeit, deshalb passt das Friedenssingen gut zu uns.»

«Eine geniale Kombination»

Theo aus Bern ist zum ersten Mal an einem Singanlass, sein Freund Remo aus Lichtensteig hat schon an vielen Singanlässen teilgenommen. Theo: «Singen tut mir gut, ich sollte viel häufiger singen. Nach dieser Stunde Singen hier bin ich schon fast heiser. Mir gefällt es, dass bekannte Lieder durch Textergänzungen auf eine sanfte Art politisch gemacht werden.» Remo: «Wie es der Name StimmVolk schon sagt, ist es für mich eine stimmige Verbindung von politischer Ausrichtung und Gesang. Eine geniale Kombination.»

«Friedliche Stimmung»

Mirjam und Tobias aus Bern sind mit ihrem vier Wochen alten Sohn Lennox am Friedenssingen: «Wir sind gerade erst dazugestossen. Von Weitem klingts wie eine Sektenzusammenkunft. Aber die Stimmung ist schön friedlich.»


Wie kann Gesang den Frieden fördern, und wofür steht StimmVolk? Wir haben bei Matthias Gerber von der Geschäftsstelle StimmVolk Schweiz nachgefragt.

Wie viele Sängerinnen und Sänger haben vergangenen Samstag auf dem Münsterplatz zusammen gesungen?

Matthias Gerber:

Wir haben zu Beginn des Grosssingens die Menschenmenge vom Münster aus fotografiert und dann die Köpfe gezählt. Dabei sind wir auf rund 670 Menschen gekommen. Während des einstündigen Anlasses sind nochmals zwei bis drei Hundert Menschen dazu gestossen.

Im vergangenen Jahr waren an die 1000 Sängerinnen und Sänger, können Sie sich erklären, wieso es heuer weniger Menschen ans Grosssingen gezogen hat als im letzten Jahr?

G:

Wir hätten zu Beginn niemals gedacht, dass überhaupt so ein grosses Singen möglich ist. Die 1000 Sängerinnen und Sänger vom letzten Jahr sind sicherlich auch durch den Anfangsimpuls zusammengekommen. Das ist, wie wenn man eine erste CD herausgibt. Die läuft meistens besser als die zweite.

Wie nähert man sich singend dem Weltfrieden?

G:

Wir möchten in den Singgruppen und auch am Grosssingen lernen, etwas nicht allzu schnell zu verurteilen, es nicht abzuwerten – grundsätzlich nicht gegen die Dinge zu gehen, sondern zu versuchen, beide Seiten zu sehen und mit der Polarität aller Dinge umzugehen. Das Singen kann auch ein Weg sein, Probleme anzugehen. Man konzentriert sich auf das Lied, lässt sich von der Kraft des Liedes leiten und nimmt eine andere, eine positive Haltung ein. Das ist schon ein Schritt in ein friedlicheres Miteinander.

Für oder gegen wen oder was steht StimmVolk konkret?

G:

Wir sind nicht gegen etwas und sehen uns auch keiner politischen Sichtweise oder ethnischen Gruppe verpflichtet. Wir sind offen für jede und jeden. Möglicherweise würde eine Umfrage bei den Sängerinnen und Sängern aber ein links-grünes Bild zeigen. Das ist schade, denn mit unserem teilweise sehr traditionellen Liedgut sprechen wir auch konservative Kreise an. Grundsätzlich gilt bei uns aber, dass keine Meinung wertvoller ist als die andere, jede Idee ist den anderen ebenbürtig, auch wenn ich selber vielleicht nicht hinter ihr stehen kann. Wichtig ist das gemeinsame Singen, Jutze und Lachen. Davon könnte es noch ein bisschen mehr geben in der Schweiz.