Frau Hayoz, Sie hatten in den acht Jahren Ihrer Amtszeit gute und harte Zeiten. Bezüglich der Stadtfinanzen bekommen Sie aus allen Lagern ein gutes Zeugnis. Sind Finanzen ein sicheres Terrain für Sie?
Barbara Hayoz:
Ja. Ich fühle mich als Betriebsökonomin in der Finanzwelt daheim. Als Kurt Wasserfallen Ende 2006 im Amt verstorben ist, wechselte ich in meine Wunschdirektion. Da bin ich sattelfest.
Wo stehen die Berner Finanzen heute?
2009 habe ich die Stadtfinanzen ein erstes Mal von der Ratingagentur Moody’s bewerten lassen. Seither haben wir alle Jahre das zweitbeste Rating bekommen – zum Beispiel besser als die USA. Uns werden solide Finanzen attestiert.
Sie sagen aber auch, dass der Lastenausgleich die Stadtfinanzen künftig mehr belastet.
In dieser Hinsicht sieht es nicht rosig aus. Die finanzielle Schieflage des Kantons macht mir Sorgen. Heute sind die Stadtberner Finanzen im grünen Bereich, aber die Planzahlen zeigen, dass die nächsten Jahre finanzpolitisch schwierig werden.
Was übergeben Sie Ihrem wahrscheinlichen Nachfolger Alexandre Schmidt?
Falls es denn Herr Schmidt ist, übergebe ich ihm gesunde Finanzen, aber mit düsteren Aussichten. Neben dem Lastenausgleich müssen viele Sanierungen angegangen werden. Mit der Rückführung der Stadtbauten kommen das Mubeeri, die Kawede, das Stadttheater, Schulanlagen und einige Verwaltungsgebäude wieder in städtischen Besitz, die sanierungsbedürftig sind. Die Sanierungen sind heute noch nicht finanziert.
Stichwort Stadtbauten. Sie haben einmal gesagt: «Das Experiment Stabe hätte nie gestartet werden dürfen.» Nun bleiben Sie noch bis Ende 2013 im Verwaltungsrat, um Stabe wieder in die Stadtverwaltung zurückzuführen. Was bedeutet das für Sie?
Es war einfach unsinnig, Verwaltungsvermögen auszulagern, um dann beispielsweise ein Schulhaus zu mieten. Die Auslagerung war rein finanztechnisch begründet, damit man bei den Abschreibungen sparen konnte. Die Rückführung soll ordentlich über die Bühne gehen. Bis und mit Detailkonzept haben wir bereits alles auf dem Schlitten. Jetzt geht es um die Umsetzung. Der Gemeinderat ist der Meinung, dass es unsinnig wäre, wenn sich zwei neue Gemeinderäte, die das Know-how aus dem Vorprojekt nicht haben, für eine so kurze Zeit noch einarbeiten müssten. Also hat mich der Gemeinderat für ein Jahr als Verwaltungsrätin bestätigt, und ich habe zugestimmt.
«Falls es denn Alexandre Schmidt ist, übergebe ich ihm gesunde Finanzen, aber mit düsteren Aussichten.»
Barbara Hayoz, Finanzdirektorin
In diesem Sommer gab es Filzvorwürfe gegen Stabe. Wollen Sie als Verwaltungsrätin deshalb der Stabe-Führung nun besonders auf die Finger schauen?
Ja. Viele Geschäfte sind zu Zeiten der vorhergehenden Führung gar nicht in den Verwaltungsrat oder den Gemeinderat gelangt. Man hatte den Eindruck, dass der Gemeinderat nur stört. Es hat sich eine grosse Eigendynamik entwickelt. Eine Kultur im Unternehmen entsteht über längere Zeit. Diese nachher wieder aus den Köpfen heraus zu bringen, braucht einiges an Aufwand. Dazu haben wir ein Projekt lanciert, um unter anderem Verständnis zu schaffen, wie wir in der Stadt arbeiten. Dass es beispielsweise ein Beschaffungsrecht gibt, welches man einhalten muss. Da gibt es keine Spielräume.
Welchen Umfang hat dieses Mandat?
Es ist ein normales Verwaltungsratsmandat mit jährlich zirka sieben Sitzungen.
Sie haben für die Zeit nach dem Gemeinderatsamt noch weitere Beschäftigungen lanciert …
Ja, ich werde Partnerin bei Gullotti & Partner. In dieser Bürogemeinschaft bin ich als selbstständig Erwerbende tätig und betreue meine eigenen Mandate.
In wie vielen Verwaltungsräten sitzen Sie?
Neben denjenigen, wo ich von Amtes wegen als Gemeinderätin sitze, in fünf. Bei der CSS-Gruppe auf Stufe Holding; bei Burckhardt & Partner, Basel; alt und neu bei Stabe; und in zwei gemeinnützigen Organisationen – der Band Genossenschaft in Bern-Reidbach und der Stiftung Diaconis.
«Der Journalist versucht bei mir, vielleicht weil ich eine Frau bin, daraus einen Skandal zu machen.»
Barbara Hayoz, Finanzdirektorin Stadt Bern
Sind Sie aktuell in zu vielen Verwaltungsräten tätig wie Ihnen in einem «Bund»-Bericht vorgeworfen wird?
Nein. Ich mache nichts anderes als beispielsweise alt Regierungsrat Urs Gasche oder andere männliche Politiker, die aus einem öffentlichen Amt ausscheiden. Nun versucht der Journalist bei mir, vielleicht weil ich eine Frau bin, daraus einen Skandal zu machen. Aber am Ende des Artikels steht immerhin, dass alles reglementskonform ist. Ich arbeite bis am 31. Dezember zu 100 Prozent für die Stadt Bern.
Wie steht es mit Interessenkonflikten wegen ihres Mandats für Burckhardt & Partner und Ihres Sitzes in der Verwaltungskommission bei der städtischen Personalvorsorgekasse, da sich beide Ämter bei der Sanierung der Liegenschaft Wangenstrasse berühren?
Es besteht kein Interessenskonflikt. Die Entscheide im Zusammenhang mit Baumandaten werden in der Geschäftsleitung oder im Anlagekomitee getroffen und nicht in der Verwaltungskommission. Im Übrigen habe ich den Vorsitzenden des Anlagekomitees über meine Wahl in den Verwaltungsrat von Burckhardt & Partner informiert.
Zu einem anderen Thema – die Gemeindewahlen sind gerade vorbei, Alexander Tschäppät (SP) wurde mit Glanzresultat wiedergewählt. Sie haben ihn vor vier Jahren herausgefordert und hatten sich wenig Chancen ausgerechnet. Wann ist Bern bereit für eine Stadtpräsidentin?
Für eine Stadtpräsidentin eigentlich schon heute, aber nicht für eine bürgerliche. Ich hatte vor vier Jahren mit meinem Stimmenanteil von 36 Prozent einen Achtungserfolg gegen Alex Tschäppät erreicht. In diesem Jahr erzielte Tschäppät 70 Prozent bei zwei bürgerlichen Gegenkandidaten – das ist für die Bürgerlichen verheerend. Ich habe damals an den Podiumsgesprächen von linken Frauen gesagt bekommen, sie seien schon für Frauenförderung aber nicht bei einer bürgerlichen Politikerin. Bern wird rot-grün bleiben. Wenn also SP oder GFL eine Kandidatin bringen, wäre Bern reif für eine Frau an der Spitze.
Ein Rückblick auf Ihre Zeit als Polizeidirektorin. Sie haben der heutigen Police Bern auf den Weg geholfen. Sind Sie heute knapp zwei Jahre nach deren Start zufrieden?
Nein. Die Situation ist nicht ideal, denn nun haben wir getrennte Verantwortlichkeiten. Auf der einen Seite ist die Gemeinde, die die Leistungen bestellt und für sie strategisch verantwortlich ist. Auf der anderen Seite ist operativ der Kanton zuständig und verantwortet die Einsätze. Ich hatte damals als Polizeidirektorin ein eigenes Korps. Da konnten ich und der Gemeinderat ganz anders Einfluss nehmen. Dazu kommt heute das gegeneinander Ausspielen.
Als Polizeidirektorin sind Sie ja 2005 gleich mit einer Anti-WEF-Demonstrationen gestartet. Diese ging – auch dank eines grossen Sicherheitsdispositivs – ohne Krawall über die Bühne. Wie könnten Sie eine ähnliche Situation mit Police Bern lösen?
Heute sprechen zwar Sicherheitsdirektor und Regionalkommando über die Strategie. Am Schluss entscheidet operativ aber das Kommando. Der Sicherheitsdirektor ist weiter weg von der Entscheidungskette. Damals habe ich mich im Vorfeld der Demos mehrmals mit dem Kommandanten und dem Gemeinderat treffen können, um die Lage zu besprechen. Das findet heute nicht mehr statt. Der Gemeinderat ist abgeschnitten, obwohl er am Schluss die Verantwortung trägt.
«Frauen müssen in leitenden Positionen immer noch besser sein als Männer, denn sie werden kritischer betrachtet.»
Barbara Hayoz, Finanzdirektorin Stadt Bern
Police Bern wird insbesondere von ganz linker Seite kritisiert. Gibt es einen Weg zurück?
Nein. Es ist grundsätzlich sinnvoll, ein Korps für den ganzen Kanton zu haben, weil Kriminalität nicht an der Gemeindegrenze aufhört. Nur macht das Konstrukt mit der geteilten Verantwortlichkeit keinen Sinn. Ich finde, dass der Kanton dann auch die Verantwortung auf strategischer Ebene übernehmen sollte.
Sie haben als verantwortliche Gemeinderätin selbst viel Kritik einstecken müssen wegen der Kostenexplosion beim Bau des Bärenparks. Wie haben Sie es geschafft, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen?
Meine Kraft habe ich aus der Familie geschöpft. Ich habe mich immer geliebt und getragen gefühlt. Glücklicherweise kann ich gut abschalten. Wenn ich die Tür zum Büro geschlossen hatte, dann blieben die Arbeit und die Sorgen dort. Nur in wenigen Situationen habe ich das nicht geschafft. Daheim habe ich meinen Kraftort, meinen Mann, meine Söhne, meine Eltern und meinen Freundeskreis. Wir haben natürlich über die aktuellen Themen diskutiert und sie haben mir «Kopf hoch» gesagt. Ein riesengrosser Dank gebührt meinem Mann, der mich immer unterstützt hat. Es ist nicht leicht, wenn die eigene Frau so in der Öffentlichkeit steht.
Werden Frauen in leitenden Positionen und die im politischen Rampenlicht stehen schärfer kritisiert als Männer ?
Ja, ganz klar. Das zeigt für mich der aktuelle Medienbericht über meine Verwaltungsratsmandate. Wenn sich Frauen so verhalten wie jeder andere Mann in der Wirtschaft, dann werden andere Ellen angelegt, und sie werden härter angegangen. Frauen müssen in leitenden Positionen immer noch besser sein als Männer, denn sie werden kritischer betrachtet. Das begreife ich nach so vielen Jahren Gleichstellungspolitik nicht.
Was empfehlen Sie jungen Politikerinnen, wie Sie sich im Gegenwind nicht umblasen lassen?
Mein Rat lautet: Bleibt im Kern, wie ihr seid, aber legt euch einen kleinen Schutzpanzer zu. Legt nicht jedes Wort das über euch geschrieben wird auf die Goldwaage, denn morgen kommt wieder eine neue Zeitung heraus und etwas anderes ist Thema. Lasst euch von Kritik nicht entmutigen und seid selbstbewusst.