Fotografischer Blick in die Bordelle

von Yoshiko Kusano 23. Oktober 2014

Bordelle sind Orte, die den meisten Frauen und vielen Männern verborgen bleiben. Auch mir. Bis ich im Jahr 2006 den Auftrag erhielt, eine «Puffmutter» fotografisch zu porträtieren. Das war der Anstoss für mein Langzeitprojekt «Bordelle», für das ich 2007 den Werkbeitrag des Kantons Berns erhielt und das nun als Buch erscheinen soll.

Ich war sehr aufgeregt beim Gedanken, zum ersten Mal Einblick in ein Bordell zu erhalten. Wie ist die Chefin? Wie sind die Frauen, die da arbeiten? Und vor allem: Wie sieht es da aus? Natürlich hatte ich meine Vorstellungen: Bilder von rotem Samt, schummrigem Licht und andere Klischees gingen mir durch den Kopf. Ob sie wirklich zutreffen? Ich freute mich über das Privileg, als Fotografin an einen Ort zu kommen, der den meisten Frauen verborgen bleibt.

Möbel aus Micasa und Ikea

Das Bordell befand sich nahe an einer Autobahnausfahrt auf der Strecke Bern–Zürich. Die Besitzerin erklärte mir den Vorteil dieser aus meiner Sicht unattraktiven Lage: Hier könnten die Freier einfach von der Autobahn runterfahren, ohne viel Zeit zu verlieren und natürlich ohne Gefahr zu laufen, von Bekannten entdeckt zu werden.

Nach dem Einlass werden sie in die Bar geführt, wo sie die «Mädchen» besichtigen und Wünsche anbringen können. Die Bar wirkte eher wie ein Wohnzimmer: mit einer Ledercouch und einem Mini-Tresen, hinter dem auf Glasregalen Champagnergläser, wenige Flaschen und ein paar Plastikblumen in Vasen aufgereiht waren. Hat der Kunde gewählt, verschwindet er mit der Frau in einem der Zimmer. Die Zimmer waren mit Möbeln von Micasa oder Ikea eingerichtet. Mit roten Vorhängen wurde versucht, einen Hauch Romantik und Gemütlichkeit hineinzubringen.

Kein Voyeurismus

Nach meinem ersten Bordellbesuch hatte ich Lust, mehr von diesen Etablissements zu sehen und die Räume zu fotografieren. Dabei war es mir von Anfang an klar, dass es nicht um die Abbildung der Frauen geht. In den meisten Arbeiten über Prostitution werden immer die Frauen gezeigt. Das hat etwas Voyeuristisches. Mich dagegen interessierten die Räume. Indem ich den Raum zeige, können sich die Betrachter ihre eigenen Geschichten dazu vorstellen. Die Details in den Räumen erzählen viel über die Herkunft der Frauen, über die Fantasien der Kunden, aber auch über die verschiedenen Vorstellungen von Erotik.

Um die Authentizität der Räume zu bewahren, wollte ich nichts verändern, nichts aufräumen. Das Licht sollte so sein, wie es der Kunde bei seinem Besuch antrifft. Den Ausschnitt der Bilder wählte ich unterschiedlich: Ich wollte beispielsweise nicht immer bloss das Bett zeigen, sondern auch andere Details in den Mittelpunkt stellen, vielleicht auch mal nur eine Tür abbilden. Formal war es mir wichtig, die Räume in ihrer natürlichen Lichtstimmung zu belassen.

Kontakte über Xenia geknüpft

Als Aussenstehende ist es schwierig, einen Zugang zu den Bordellen zu erhalten. Meine Kontakte konnte ich dank Xenia knüpfen, der Fachstelle Sexarbeit des Kantons Bern. Ich habe später auch in Hamburg und Wien Zugang zu verschiedenen Bordellen erhalten. Auch dort waren es beratend tätige Leute mit Kontakten ins Sexgewerbe, die mir einen Zugang vermitteln konnten. So gesehen ist die Auswahl der fotografierten Orte eher zufällig. Sie hat sich aus den faktischen Zugangsmöglichkeiten ergeben.

Im Verlag Scheidegger & Spiess soll nun diese aus rund 50 Aufnahmen bestehende Fotoserie mit einem Einführungstext zur Fotografie von Nadine Olonetzky und einem grösseren Essay zur Inneneinrichtung und Designgeschichte der Bordelle als Buch publiziert werden.

Dass die Produktionskosten heutzutage vor der Lancierung eines Buchprojektes finanziert sein müssen, ist leider die Norm. Kanton, Stadt und Burgergemeinde sowie einige Institutionen haben bereits Beiträge zugesichert. Nun engagiere ich mich mit dem Verlag für die Finanzierung und habe deshalb auf eine Crowdfunding-Plattform initiiert. Auf Wemakeit gibt es die Möglichkeit, mein Buchprojekt zu unterstützen. Vielen Dank!