Florian Spring – Fotograf, Geschichtenerzähler, Schreiner

von David Fürst 9. Dezember 2023

B-Kanntschaft Der Berner Fotograf Florian Spring wurde vom reisenden Schreiner zum Fotograf, der 2017 den Globetrotter World Photo Förderpreis gewann. David Fürst hat mit ihm über Arbeit, Prägungen und Zukunft gesprochen.

In Papua-Neuguinea hat alles angefangen. Im Zivildienst als Schreiner lernte Florian Spring die Sprache Tok Pisin – eine von über 800 Sprachen in diesem Gebiet – und freundete sich bei seiner Arbeit mit lokalen Schreinern einer NGO an. «Weil ich jeden Tag mit Leuten geschreinert habe, lernte ich die Sprache recht schnell. Nach einem halben Jahr konnte ich mich gut verständigen», sagt Florian.

Bei einem Holzkauf in in der Stadt Wewak traf er am Hafen per Zufall auf eine Gruppe von Künstler*innen, die Lieder sangen und in traditionellen Gewändern tänzerische Darbietungen zeigten. Florian fielen die Krokodil-Muster auf der Haut ins Auge und sprach die Gruppe auf Tok Pisin an. Die Gruppe war überrascht, dass Florian ihre Sprache kannte, und luden den Schweizer in ihr Dorf Korogu ein. Florian kam dort aber nie an.

Florian Spring
Foto: Florian Spring

Auf seiner Reise kam Florian nämlich zufällig beim Pfahlbauerdorf Kandinge vorbei, wo er den Bewohner*innen half, eine Schule zu zimmern. Damals begann Florian beiläufig das Leben der Menschen zu dokumentieren. Dabei fotografierte er auch Teile eines Initiationsritus, wo junge Männer sich mit Krokodilzähnen Muster in die Haut ritzen. Mit dieser Arbeit – «Das Krokodilnest» – gewann er den Globetrotter World Photo Förderpreis 2017. Die Menschen von Kantine und seine Reportagen sollten Florian noch länger begleiten und Anstoss für viele Reflexionen sein.

Emotionen auslösen durch die Fotografie

«Wenn ich ein Bild in einen Rahmen an die Wand hängen kann, dann ist es für mich ein gutes Foto. Ich möchte mit meiner Fotografie mehr machen als ein Bild. Eine Fotografie sollte bei den Betrachter*innen Emotionen auslösen», so Florian. Er erzählt mit seinen Fotografien Geschichten. Mit dem, was ausgelassen wird – mit seinen Metaphern – experimentiert Florian mit dem Medium Fotografie. Die Fotos werfen Fragen auf, weil sie nicht alles zeigen.

Ich erstrebe keinen fotografischen Stil, der sich durch meine Arbeiten zieht. Für mich ist Fotografie ein Medium und ich passe den Stil meiner Interpretation an.

Fotografie ist für Florian ein Prozess mit vielen Einflüssen und nicht etwas Einsames. «Ich versuche immer kollaborativ zu arbeiten, indem nicht ich alleine das Foto mache, sondern wir das gemeinsam erarbeiten.» Gute Fotos würden aus Begegnungen mit echtem Interesse für das Gegenüber entstehen: «Als ich Peter Bichsel für Die Zeit in Olten besuchte, setzen wir uns zwei Stunden in seinen Garten, tranken eine Flasche Rotwein und Peter erzählte, wie ich es aus seinen Büchern kenne. Am Schluss dieser Begegnung fotografierte ich ihn und ging mit guten Bildern wieder nach Hause. Solche Begegnungen geniesse ich sehr.»

Foto: Florian Spring
Foto: Florian Spring

Florian erzählt durch seine Fotografien und nutzt dafür verschiedene Techniken: «Als ich für Das Magazin die World Dog Show in Genf fotografieren durfte, wusste ich, dass es in der Halle mit 20‘000 Hunden fast kein Licht gibt. Ich nahm mein Aufsteckblitz und fotografierte sehr direkt die Hunde, die Herrchen und Frauchen an dieser Messe.» So entstanden Bilder mit starken Kontrasten und harschen Schatten. Die Bilder zeigen so nicht die Menschen, sondern fangen die Stimmung der Halle mit den vielen Hunden ein. Es herrscht Anonymität.

Foto: Florian Spring
Foto: Florian Spring

Für das Porträt von Claudia und Hansueli mit ihren Hunden für Das Magazin wählte Florian hingegen bewusst eine andere Technik: Er fotografierte mit natürlichem Licht, wodurch es ihm gelang, die Zuneigung der Besitzer*innen zu ihren Hunden festzuhalten. Bei diesen Bildern sind die Leute aus der Masse herausgelöst. Sie zeigen die Beziehungen von Hund und Mensch intim und nahe.

Verantwortung und Identität

Beim Fotografieren eignet sich die fotografierende Person immer auch eine Geschichte an. Florians preisgekrönte Reportage «Das Krokodilnest» wurde zu einer Zeit publiziert, in welcher der Diskurs über kulturelle Aneignung und postkoloniale Studien in der Schweiz noch nicht viel Aufmerksamkeit erhielt. Wie geht Florian mit dieser Verantwortung um, gerade wenn es um Menschen geht, die am anderen Ende der Erde wohnen? «Wenn eine Arbeit raus ist, hast du keine Kontrolle mehr darüber. Das war mir 2017 bei meiner ersten fotografischen Arbeit noch nicht bewusst.»

Foto: Florian Spring

Menschen interpretieren Arbeiten und eignen sie sich auch etwas an. Als Fotograf sei es schwierig, diesen Prozess zu beeinflussen. Der Versuch, die Geschichte in Papua-Neuguinea so zu erzählen, dass sie die Geschichte dieser Menschen bleibt, scheiterte. Heute kann er nicht mehr hinter allen Bilder stehen, die er damals in Papua-Neuguinea geschossen hat. «Ich habe versucht, es zu drehen und wenden, aber es geht nicht. Am Schluss bin ich der Kurator dieser Geschichte und habe die Verantwortung.»

Foto: Florian Spring
Foto: Florian Spring

Durch seine Position als eingreifende Person grenzt er sich von einer Riege bekannter Fotograf*Innen ab, die ihre Arbeit im Gestus des unbeteiligten Beobachters erbringen. Lange Zeit war die Rolle der fotografierenden Person die, dass man keinen Stein bewegen durfte, nur Fotografieren als unbeteiligte Person – so wahrheitsgetreu wie möglich das Geschehen einfangen. «So zu arbeiten interessiert mich nicht», meint Florian. «Ich weiss, dass ich als Fotograf immer die Situation beeinflusse, deshalb halte ich auch nicht so viel von der Idee, dass wir als Fotograf*innen nicht in die Situation eingreifen dürfen.»

Lange Zeit war die Rolle der fotografierenden Person die, dass man keinen Stein bewegen durfte, nur Fotografieren als unbeteiligte Person.

Florian greift bewusst in die Situation ein, beeinflusst sie und will die Geschichte so erzählen, dass sie in den Menschen etwas bewegt. Florian bebildert Geschichten, die keine Gesichter zeigen können, weil es Menschen gefährdet. Hier arbeitet Florian mit Metaphern, Symbolbildern und Schatten, welche die Identität schützen.

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Jetzt und Zukunft

Durch die Arbeit mit Menschen konnte Florian sein Netzwerk immer weiter ausbauen und schloss sich dem Recherchekollektiv Reflekt an, wo Florian zurzeit als Bildredakteur und Content Creator tätig ist. Das Recherche-Kollektiv arbeitet investigativ an Geschichten, die in der journalistischen Landschaft oft keinen Platz finden. «Momentan sind wir an einer Geschichte über die Schweiz als Schifffahrts-Nation. In Malta sind so viele Schiffe parkiert und werden dort gewartet, dass die Luftqualität stark beeinträchtigt ist.»

Florian Spring will seine Naivität bewahren (Foto: David Fürst).

Für die Zukunft wünscht sich Florian, dass er seine Naivität nicht verliere. «Ich liebe die Naivität der Jugend, diese möchte ich mir erhalten, um die Neugier und die Begeisterung für meine Arbeit nicht zu verlieren.» Als Florian angefangen habe mit der Fotografie, schrieb er alle Fotografen an, die er spannend fand. «Ich wollte mit ihnen einen Kaffee trinken, leider reagierten die meisten nicht besonders einladend.» Florian fühlte sich anfangs in der Berne Foto-Bubble deshalb nicht willkommen – und macht es deshalb selber nun anders: «Wenn ein*e junge Fotograf*in etwas wissen will, nehme ich mir immer die Zeit für die Person.»