Stefan Eichenberger empfängt mich im Berner Büro der Produktionsfirma Contrast Film im Filmhaus Bern, unten an der Aare, direkt neben der Dampfzentrale. Im Film «Heimatland», der in diesem Winter national in den Kinos zu sehen war, versinkt die Schweiz angesichts der Bedrohung durch eine riesige Sturmwolke im Chaos.
Warum dreht man einen Film über den Untergang der Schweiz? «Wir wollten der Schweiz einen Spiegel vorhalten», sagt Eichenberger. Er und die beiden Initiatoren des Projekts, die Regisseure Michael Krummenacher und Jan Gassmann, hätten den Eindruck gehabt, dass etwas falsch läuft in der Schweiz. «Es tut zwar weh, dies anzusprechen, aber es musste sein.» Denn es passierten immer mehr Dinge, die nicht in Ordnung seien. Zum Beispiel würden immer mehr Initiativen angenommen, die die Menschenrechte mit den Füssen treten.
Früher Einstieg
Eichenberger selber kam bereits als Jugendlicher mit dem Medium Film in Berührung, als er für die Jugendfernsehsendung «VideoGang» arbeitete. «Irgendwann war ich dann zu alt fürs Jugendfernsehen und ich entschloss mich, zu studieren», erzählt er, «aber immer mit dem Fokus auf einen Wechsel zurück zum Medium des bewegten Bildes.» Nach dem Abschluss in Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie Philosophie und Soziologie absolvierte er eine Ausbildung in Filmrealisation an der Zürcher Hochschule der Künste.
Er habe in einer Versuchsphase auch einmal Regie geführt, erzählt er. Aber er bevorzugt die Rolle als Produzent, weil er da den gesamten Entstehungsprozess begleiten könne: von der Entwicklung des Stoffs bis zur Bewerbung an Festivals und im Kino. Dabei sieht er sich als «creative producer», der sich nicht nur um das Finanzielle kümmert, sondern auch gern inhaltlich arbeitet: «Ich lese jede Drehbuchversion und bin auch beim Schnitt mit dabei.»
Erfolgreiche Produktionen
Mit seinen Produktionen hatte Eichenberger einigen Erfolg: Der Kurzfilm «Parvaneh» (Regie: Talkhon Hamzavi) über eine afghanische Asylbewerberin in der Schweiz wurde vor einem Jahr für den Oscar in der Kategorie «Bester Kurzspielfilm» nominiert. Der Dokumentarfilm «Neuland» (Regie: Anna Thommen) über Jugendliche sowie ihren Lehrer an der Integrations- und Berufswahlklasse (IBK) in Basel erhielt 2014 den Publikumspreis an den Solothurner Filmtagen, und Heimatland gewann sowohl den Berner wie den Zürcher Filmpreis.
Dass die Produktionsfirma Contrast Film neben dem Zürcher Standort auch in Bern ein Büro unterhält, liegt an der gezielten Stärkung der Filmförderung im Kanton Bern seit rund fünf Jahren, wie Eichenberger erklärt. Bern komme jetzt als Standort für die Spielfilmproduktion erst überhaupt wieder richtig in Frage, sagt er. Davor konnten von Bern aus eigentlich fast nur (kostengünstigere) Dokumentarfilme produziert werden. Diese Stärkung habe zum Erfolg geführt: «Es gab eine richtige Aufbruchstimmung.» Vielleicht sei man jetzt in Bern sogar eher mutiger als in der etablierten Filmszene von Zürich, wo sich gewisse Abnützungserscheinungen zeigen, mutmasst er: «Man kann den Eindruck haben, dass die immer gleichen Leute die immer gleichen Filme drehen, von denen die Hälfte an der Langstrasse spielt». Darum sei es wichtig, dass es in der Schweiz einen zweiten (deutschsprachigen) Filmstandort gebe.
Gemeinsamer Standort
Mit dem Filmhaus Bern verfügt die Szene auch über einen gemeinsamen Standort, der den informellen Austausch ermöglicht. Das Haus neben der Dampfzentrale gehört der Stadt; über einen eigens gegründeten Verein können sich Filmschaffende einmieten.
Aber Eichenberger arbeitet nicht nur in Bern, sondern auch regelmässig in Zürich, weil eben die Filmbranche dort schwergewichtig ansässig ist. Er werde deshalb immer wieder gefragt, ob er nicht nach Zürich umziehen will. Aber er schätzt die Länggasse als Wohnquartier: «Es hat so etwas wie einen Dorfcharakter. Ich komme mir fast vor, wie wenn ich in mein Dorf zurückkomme», erklärt der in Herzogenbuchsee aufgewachsene Produzent.
In seinem Häuserblock habe er mit vielen jungen Familien ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Wertvoll ist dies vor allem nach hektischen Arbeitstagen: «Das erdet dich irgendwie und holt dich wieder runter», sagt er – und beschreibt damit eine fast schon idyllische «Heimat», die im scharfen Kontrast steht zum «Heimatland» des Films.