Am Freitag, 19. März 2021 meldete sich die Klimabewegung der Schweiz nach einer längeren Pause in der Öffentlichkeit zurück. Die erste nationale Aktion seit dem Klimacamp auf dem Bundesplatz im September fand auch in Bern statt. An dem sonnigen Nachmittag sassen die Aktivist*innen auf dem Waisenhausplatz in Kleingruppen zusammen. Die Form war den Umständen geschuldet: Die Covid-Verordnung des Kantons Bern erlaubte zu dem Zeitpunkt keine Kundgebungen von mehr als 15 Personen. Im Vorfeld wiesen der Klimastreik Schweiz und der Klimastreik Bern darauf hin, dass man mit «coronakonformen Sitzstreiks» protestieren wolle.
Viel gebracht hat das rigorose Schutzkonzept nicht. Die Versammlung wurde rasch aufgelöst, die Kantonspolizei Bern vermeldete, rund 180 Personen würden angezeigt. In einem offenen Brief drückten die Aktivist*innen des Klimastreiks Bern daraufhin ihr Unverständnis gegenüber der erfahrenen Repression aus: «Auch während einer Pandemie muss das Demonstrieren unter Einhaltung von Corona-Richtlinien wie Mindestabstand und Maskenpflicht uneingeschränkt möglich sein.»
Heute streikte der Klimastreik Bern auf dem Waisenhausplatz. Die Coronamassnahmen wurden konsequent eingehalten. Friedlich aber bestimmt, haben wir netto null bis 2030 und die Implementierung des Klimaaktionsplans eingefordert.
— Klimastreik Bern (@KlimastreikBE) March 19, 2021
Nun – fünf Monate später – sind die Strafbefehle eingetroffen. Als Reaktion darauf übergaben die Klimagrosseltern Bern heute vor dem Amtshaus der Staatsanwaltschaft ein Schreiben, das auch Journal B vorliegt. Sie seien «fassungslos und empört angesichts der völlig unverhältnismässigen Strafbefehle, die unsere Enkel/Innen, von der Jugendanwaltschaft erhalten haben und dies mit fünfmonatiger Verzögerung ausgerechnet auf den ersten Tag des neuen Schuljahres.» Die Klimagrosseltern erklären weiter, sie solidarisierten sich mit der Generation, welche heute und in naher Zukunft die Folgen des Klimawandels zu spüren bekomme. Der Brief schliesst mit den Worten: «Diese junge Generation verdient unseren Respekt, unsere Anerkennung und unsere Solidarität. Sie verdient es nicht, dass ihnen der Staat für ihr Engagement Steine auf dem Weg in ihre Zukunft legt.»
Franz Morrissey von den Klimagrosseltern Bern meinte bei der heutigen Briefübergabe: «Ich habe 2 Enkelinnen, 13- und 15jährig, die einen solchen Strafbefehl erhalten haben. Sie engagieren sich mit viel Herzblut und Elan für das Klima und so etwas sollte man honorieren und nicht bestrafen.» Wegen den Sicherheitsvorkehrungen des Amtshauses durfte nur eine Person den Brief übergeben, der Rest der Gruppe gelang nur bis in die Eingangshalle. «Ich möchte diesen Jugendlichen ein grosses Lob aussprechen, dass sie sich so engagieren. Ich hoffe auch dass sie ihr Engagement und ihren Elan nicht verlieren, in Anbetracht solcher, wie soll ich sagen, paragraphenreiterischer Kleinlichkeiten», sagte Morrissey am Ende der Briefübergabe, als die engagierten Grosseltern wieder vor dem Amtshaus stehen.
An der gegenwärtigen Situation wird auch die heutige Aktion nicht viel ändern. Nach Angaben des Klimastreiks Bern wurden mittlerweile den meisten oder möglicherweise bereits allen kontrollierten Personen die Strafbefehle zugestellt. Zur Last gelegt wird ihnen die Widerhandlung gegen das Epidemiengesetz. Auf Anfrage erklärt der Klimastreik Bern, dass die Summe von Busse und Verfahrensgebühren jeweils zwischen 50 und 200 Franken betrage. Einzelne Aktivist*innen hätten mittlerweile Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben.
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