Fahnen über dem Museumsquartier

von Willi Egloff 10. Dezember 2021

Seit Mittwochabend weht eine nordkoreanische Flagge über der Brache im zukünftigen Museumsquartier. Keine Provokation, sondern eine Einladung zum Dialog.

«Das Kirchenfeld ist ein Fahnenquartier», hielt Sally de Kunst, die Geschäftsführerin des Vereins Museumsquartier Bern, in ihrer Begrüssung zum 8. Fahnenritual fest. Deshalb wäre es nur normal, wenn auch das zukünftige Museumsquartier eine Fahne hätte. Bis es soweit ist, lässt der Verein auf dem Gelände zwischen Historischem Museum und dem Museum für Kommunikation jeweils 14 Tage lang fremde Fahnen wehen. Zur Zeit ist es die Fahne der Demokratischen Volksrepublik Korea, also Nordkoreas.

Regelmässige Fahnenrituale

Den Auftakt zur Reihe von Fahnenritualen machte am 2. September die Replik einer Fahne des «Äusseren Standes», einer schon im 16. Jahrhundert bestehenden Vereinigung junger Bernburger. 1799, kurz nach dem Einmarsch französischer Truppen, wurde diese Organisation aufgelöst. Einige ihrer Zeremoniengegenstände werden heute im Historischen Museum aufbewahrt. Darunter befindet sich auch die als Vorlage verwendete Fahne, die einen verkehrt auf einem Krebs sitzenden Affen zeigt.

Nach einer Regenbogenfahne mit der Aufschrift «Nature is queer», welche die entsprechende Ausstellung im Naturhistorischen Museum symbolisierte, und der Replik einer ebenfalls aus dem Historischen Museum stammenden Totenfahne aus Königsfelden hing dann 14 Tage lang eine selbst gebastelte Patchwork-Flagge über der Brache. Sie war das Resultat eines Workshops, in welchem Kinder unter der Anleitung der Modedesignerin Carole Frossard sich im wahrsten Sinne des Wortes ihre Vorstellungen eines zukünftigen Museumsquartiers basteln konnten. Fahnen des Schützenmuseums, des Museums für Kommunikation und des Alpinen Museums führten die Reihe fort.

Let’s Talk about Mountains

Für die nächsten 14 Tage hängt nun also die Fahne Nordkoreas über dem zukünftigen Museumsquartier. Es ist unschwer zu erraten, dass sie sich auf die noch bis im Juli 2022 dauernde Ausstellung im Alpinen Museum bezieht, die sich mit Nordkorea befasst und eine filmische Annäherung an dieses wenig bekannte Land versucht (Journal B berichtete: «Wovon wir reden, wenn wir über Berge reden» und «Let’s See and Talk».) Wie der Direktor des Alpinen Museums, Beat Hächler, in seiner Begrüssung ausführte, ist auch das Hissen dieser Fahne als Einladung zum Dialog zu verstehen. Nicht zum Austausch vorgefasster Meinungen, sondern zum Dialog über andere Realitäten, andere Kulturen, nicht zuletzt auch über unbekannte Berge und ihre gesellschaftliche Bedeutung.

Dass die Bereitschaft zum Dialog durchaus vorhanden ist, machte dann der Botschafter Nordkoreas in der Schweiz, Han Tae Song, deutlich. Er nahm nicht nur höchstpersönlich am Fahnenritual teil, sondern erläuterte auch die Bedeutung und die Symbolik dieser Flagge aus koreanischer Sicht. Die Frage Beat Hächlers, warum es keinen regelmässigen Kulturaustausch zwischen Nordkorea und der Schweiz gebe, konnte auch er nicht beantworten. Die Sprachlosigkeit scheint vor allem auf schweizerischer Seite zu liegen.

Mindestens bis Weihnachten wird diese Fahne nun das zukünftige Museumsquartier symbolisieren. Danach ist die Reihe dann wieder am Historischen Museum: Ab dem 13. Januar wird eine weitere Fahne auf die dortige Mythos-Samurai-Ausstellung Bezug nehmen.