«Etwas Leben in der Bude tut gut»

von Rita Jost 15. Mai 2020

Tausende Schulkinder und ihre Lehrer*innen sind diese Woche im Kanton Bern nach acht Wochen Lockdown wieder in die Schulhäuser zurückgekehrt. Wie hat der Schulleiter Thomas Hofer diese Zeit erlebt, wie war der Start, was ist liegengeblieben und was ist anders nach dem langen Schulunterbruch?

Seit Montag sind Sie zurück am Arbeitsplatz. Wie war diese Rückkehr?

Thomas Hofer: Schön. Wir haben letzte Woche die sechs Schulhäuser in unserem Kreis so hergerichtet, dass wir das Schutzkonzept, das uns der Kanton vorschreibt, einhalten können. Das heisst, wir haben Pulte verstellt, die nötigen Abstände zwischen dem Lehrer*innen- und den Schüler*innenpulten eingerichtet, wir haben Desinfektionsstationen aufgestellt, Hygiene-Regeln für Schüler/-innen bestimmt, Signale in allen Schularealen angebracht mit den Weisungen an die Eltern dem Schulareal fernzubleiben und wir haben so genannte «Erklärtische» mit Plexiglasscheiben ausgerüstet.

Das tönt nach einem Riesenaufwand.

Ja, schon, wir haben versucht, die Sorgen der Eltern, der Schüler*innen und der Lehrpersonen ernst zu nehmen und daraus ein gutes und gleichzeitig pragmatisches Vorgehen festzulegen. Meine Kollegin und ich haben überlegt, was ist wirklich machbar – auch in Bezug auf unsere Schulinfrastruktur. Letztendlich wollten wir eine gangbare Lösung nach dem Motto: lieber etwas weniger, dafür die festgelegten Massnahmen konsequent einfordern, umsetzen und kontrollieren. Der Kanton hat uns ja ein sechzehnseitiges Konzept zukommen lassen. Danach haben wir uns gerichtet und sind – zusammen mit allen Lehrpersonen und den Hauswartsleuten – an die Arbeit gegangen.

Habt ihr die baulichen Massnahmen eigenhändig umgesetzt?

Ja, das war zum grössten Teil Gemeinschaftsarbeit. Wir haben im Dialog mit den Lehrpersonen beschlossen, dass wir an unserer Schule diese Erklärtische einrichten wollen. Danach mussten wir Lieferanten suchen, mögliche Umsetzungen prüfen usw. Ein richtiger Organisations- und Managementjob. Dann sind einige Lehrpersonen an die Arbeit gegangen, haben einen Unterbau aus Holz gemacht, damit man diese Plexiglaswände einstecken konnte. Das hiess: viel Mitdenken, Mitziehen, Flexibilität, spontanes Einspringen von allen Seiten, richtige Teamarbeit.

Können unter diesen Bedingungen nun alle arbeiten?

Nein, wir haben drei Lehrpersonen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sehen, so zu unterrichten. Da mussten Stellvertretungen gefunden werden. Diese haben wir glücklicherweise recht schnell organisiert. Die Schüler*Innen sind alle wieder da.

Auf was haben Sie sich am meisten gefreut?

Gefreut hat mich vor allem, als klar war, dass wir die Schule wieder öffnen können. Die unsichere Phase, als nie klar war, ob und wann die Schulen wieder aufgehen, fand ich sehr stressig. Und dann habe ich mich natürlich auf die Kinder und auf den ganzen Betrieb gefreut. Etwas Leben in der Bude tut gut, ohne Kinder ist ein Schulhaus schon sehr speziell. Extrem froh bin ich nun, dass wir dieses Schuljahr noch würdig abschliessen können. Das war vor allem für die Neuntklässler sehr wichtig. Die Schulzeit soll ja nicht einfach so ausfransen.

Ist etwas liegengeblieben, was jetzt nicht mehr aufholbar ist?

Natürlich hat man mit dem Homeschooling nicht alles durcharbeiten können, was man im regulären Unterricht erreicht hätte. Das habe ich selber mit meinen Kindern erlebt. Da mache ich mir nichts vor. Anderseits habe ich von vielen Kindern gehört, dass sie diese Zeit auch sehr spannend erlebt haben. Es gab ihnen Freiräume und Möglichkeiten, Neues zu entdecken. Auch die neuen Kontaktformen zu den Lehrpersonen waren wertvoll. Da ist viel Gutes entstanden, das uns alle auch weiterbringt und das wir in die Nach-Corona-Zeit mitnehmen wollen. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Kinder durch diesen Unterbruch bildungsmässig einen grossen Nachteil erfahren.

Ist die Stimmung im Schulhaus heute anders?

Viele Kinder, die vorher vielleicht nicht so freudig zur Schule kamen, haben in diesen Wochen gemerkt, dass die Schule einem richtig fehlen kann. Wer hätte das im Februar gedacht! Wir haben jedenfalls festgestellt, dass die meisten sehr motiviert und auch mit Freuden wiederkamen.

Was hat dieser Lockdown mit Ihnen persönlich gemacht?

Ehrlich gesagt war es für mich oft keine einfache Zeit. Wir haben zuhause auch drei Kinder, zwei davon schulpflichtig, die wir unterrichten mussten. Das habe ich nicht nur genossen, es gab auch echt schwierige Momente. Zuhause unterrichten und – zusammen mit der Kollegin – für die Schule verantwortlich sein, das hat mich zeitweise recht gefordert. Ich konnte nie ganz abschalten. Es war spannend und herausfordernd, aber ich bin froh, dass jetzt einiges wieder strukturierter und klarer ist.