Es muss nicht gerade Vermeer sein

von Christoph Reichenau 20. Februar 2023

Joan Miró – für mich waren seine banalen, farbenfrohen, oft surrealistischen Bilder Ausdruck fröhlicher Unschuld. Das Zentrum Paul Klee zeigt einen nachdenklichen Maler, der selber anregt, nachzudenken. Kein Ersatz für Vermeer, aber ein guter Grund für Bern.

Vermeer in allen Medien. 28 Bilder der 35 vom Meister gemalten versammelt die laufende Ausstellung im Rijksmuseum Amsterdam. Sie ist ausverkauft, das heisst, 450‘000 Besucher*innen können innerhalb eines Zeitfensters die kleinen Bilder von nahem anschauen. Ob die Schau verlängert werden kann, wird im März entschieden.

Für die meisten dürfte damit diese Vermeer-Ausstellung nicht zugänglich sein. Ohnehin wären ein Flug oder eine Zugreise von je rund zehn Stunden hin und zurück und eine Hotelübernachtung unumgänglich. Ob ein solches Blockbuster-Event uns die grosse Kunst näherbringt, darf offen bleiben. Das Drum-und-Dran kostet jedenfalls viel mehr Zeit und Geld als die Stunde im Museum.

Joan Miró bei der Arbeit im Atelier Sert
in Palma, ca. 1977. (Foto: Francesc Català-Roca
© Photographic Archive F. Català-Roca – Arxiu Històric del Col·legi d’Arquitectes de Catalunya)

Derzeit ist im Zentrum Paul Klee in Bern die Ausstellung «Joan Miró. Neue Horizonte» zu sehen. Mit den grossformatigen Bildern und Skulpturen aus den letzten dreissig Jahren des Künstlers (1893-1983) schafft das Zentrum Paul Klee eine Atmosphäre der Ernsthaftigkeit und der Selbstbefragung. Nachdem Miró 1956 in Palma de Mallorca ein vom befreundeten Architekten Sert erbautes grosses Atelier beziehen konnte, überdachte er sein bisheriges Werk. Er hatte täglich viele Bilder um sich, überarbeitete frühere Werke, weitete seine Technik aus, hinterfragte sich und sein Schaffen. Eine riesige Photographie und ein kleiner Film bezeugen die Situation des Innehaltens. Die dabei entstandenen «neuen» Bilder sind in lockerer Hängung zu betrachten. In manchen dominieren schwarze Motive mit wenigen bunten Elementen, andere sind erdfarben getönt.

Für mich liegt die Bedeutung der Ausstellung nicht in den einzelnen Werken. Sie liegt in der Atmosphäre des Raums, einer lichten Gesamtheit relativ weniger Bilder und Skulpturen, in der man selber zum Innehalten, zum Staunen, zur Befragung des Gesehenen geleitet wird. Und in der man unaufdringlich erfährt, wie viel auch im Alter noch vor einem liegen kann. Wie viel Neues und Anderes.

«Joan Miró. Neue Horizonte» ist bis am 7. Mai im Zentrum Paul Klee zu sehen.