Es Läbe, wo wie Musig isch, vou vo höche u vo töife Tön

von Barbara Traber 22. Juli 2022

Die Biographie «Markus Traber. Ohne Rücksicht auf Verluste» zeigt die Vielseitigkeit des ehemaligen Berner Troubadours. Doch Markus Traber war nicht allein Musiker, sondern auch Buchhändler, Verleger, Autor, Fotograf und Kleinplastiker. Ein Gastbeitrag von seiner Frau, der Schriftstellerin Barbara Traber.

Elf Jahre nach dem allzu frühen Tod meines Mannes, am 23. Mai 2010, habe ich begonnen, sein intensives Leben in Wort und Bild festzuhalten. Nun, ein Jahr später, liegt das vom Weber Verlag sehr schön gestaltete Buch vor. Es ist, hoffe ich, nicht nur eine persönliche Hommage, sondern auch ein Zeitdokument.

Legendäre Troubadours

Markus Traber trat, als Jüngster der Berner Troubadours, 45 Jahre lang in Kleintheatern und an privaten Anlässen auf und machte sein Publikum glücklich. Er war einfühlsam und stets präsent, wenn er andere mit seinen Chansons, Sprüchen und Geschichten unterhielt, Fotos eigens für sie machte oder ihnen in einer Beiz am Stammtisch zuhörte.

Vorbild Georges Brassens

Am 26. Juni 1946 wurde Markus in Bern geboren, vier Jahre nach seinem Bruder Eugen. Seine Kindheit wurde durch die zerrüttete Ehe der Eltern überschattet. 1958 kam es zur Scheidung. Von da an verschwand der Vater, ein Theatermensch, aus dem Leben der beiden Söhne, was bei Markus zu schulischen Problemen führte.

Im Alter von nur 13 Jahren erhielt er eine Schallplatte des Chansonniers Georges Brassens geschenkt. Begeistert vom französischen Chansonnier, der für immer sein Vorbild wurde, begann er selbst Lieder zu schreiben. Auf Berndeutsch. 1965/66 stand er, eben in die Rekrutenschule eingerückt, mit den Berner Troubadours erstmals auf der Bühne und sang unter anderem: «D Knabemusig» und den «Stadtgiele-Blues».

Begeistert vom französischen Chansonnier, begann er selbst Lieder zu schreiben. Auf Berndeutsch.

Später übernahm er das Management der Gruppe, organisierte, fotografierte, gestaltete Plakate und Programme, sammelte Kritiken aus den Medien. Dank seines unermüdlichen Einsatzes und seiner Sorgfalt konnte ich nach seinem Tod 23 Archivschachteln Material über die Troubadours dem Schweizerischen Cabaret-Archiv in Thun/Gwatt übergeben.

Eine Liebesgeschichte in rasantem Tempo

Wie haben wir uns eigentlich näher kennen gelernt? Ich erinnere mich an den Tag, an dem wir «Duzis» machten, als wäre es gestern gewesen. Am 27. August 1977 landete ich, nach einem letzten Aareschwumm in jenem Sommer, mit einer Freundin im Restaurant «Harmonie» in der Berner Altstadt. «Ist da noch frei?», fragte einer von zwei jungen Männern, und die beiden setzten sich zu uns: Ruedi Krebs und Markus Traber, zwei der Berner Troubadours. Wir kamen ins Gespräch.

Wir hatten beide etwas Lampenfieber.

Kurz darauf erlebte ich Markus’ spontane Hilfsbereitschaft und merkte: Auf diesen Menschen ist Verlass. Es dauerte nicht lange, bis wir verliebt und unzertrennlich waren. Einmal nahm er mich zu einem Soloauftritt mit. Noch nie hatte ich ihn allein auf einer Bühne singen hören, die Anfangsjahre der Troubadours hatte ich verpasst.

Wir hatten beide etwas Lampenfieber. Aber ich stellte sofort fest: Das ist sehr gut, was Markus macht. Seine Bühnenpräsenz, seine Stimme, Wort und Musik, das ergibt ein überzeugendes Ganzes. Ich kann das nur unterstützen, voll dahinterstehen, ich bewundere ihn.

Markus Traber als Berner Troubadour am Anfang der Karriere (Foto: zvg).

Er sang mir jedes neu entstandene Chanson vor und fragte mich nach meiner Meinung. Es dauerte weniger als drei Monate, bis wir heirateten: am 18. November 1977. Wie das vor sich ging, ist eine eigene Geschichte, im Buch erzählt. Wir wohnten an der Münstergasse, nicht weit weg von der Buchhandlung «zum Zytglogge», die Markus damals führte. Dies nach der KV-Aus- und Weiterbildung zum Verlagsbuchhändler beim Benteli Verlag.

Es gab Bekannte, die mich in jener Zeit von Kopf bis Fuss musterten und sich fragten: Ist sie schwanger und musste deshalb so überstürzt heiraten? Nein! Wir wurden erst 1980 Eltern einer Tochter. Eine halbe Stunde vor ihrer Geburt sei er gefragt worden, wann er denn einen Chanson für sie schreibe, pflegte Markus lachend zu erzählen. Es entstanden im Lauf der Jahre gleich drei «Nina»-Lieder, im ersten heisst die letzte Strophe:

Läbe söusch, so wie de wotsch.
Lehr unterscheide zwüsche Mönsch u Totsch.
Viu z tüe git das, das weiss i.
We’s dr schtinkt, so säg, itz verreis i.
Suech di Wäg, bis immer di.
Eis chasch ganz sicher si, dass i mi
nid imisch, wenn d wotsch läbe.

Hans, der Waldarbeiter

Während unserer Ehe zogen wir sieben Mal um, und beruflich gab es ebenfalls häufig Wechsel. Langeweile kam nie auf. Besonders aufregend waren die Jahre 1982 bis 1984, als das Stadttheater Bern saniert wurde. Während dieser hektischen Umbauzeit war Markus Beauftragter des Stadttheaters für Öffentlichkeitsarbeit.

Er liebte das Theater und spielte im Stück «Rägebogeland» für Kinder als «Hans, der Waldarbeiter» selbst mit. 1985 machten wir uns tollkühn selbstständig, nannten uns «Büro für fast alles» und wohnten sieben Jahre in Avenches. Die Auftritte mit den Berner Troubadours, landauf landab, gingen weiter.

Rückkehr in seine Heimatstadt Bern

Nach und nach entstanden mehrere LPs, später CDs von Markus mit eigenen Chansons und Live-Aufnahmen mit den Troubadours, Bücher erschienen im Traber Verlag. In Avenches begann Markus, ein Multitalent, Pinggelis zu basteln, Kleinplastiken aus Drahtgestell und Schubimehl. Er konnte mehrere Ausstellungen mit seinen lustigen Figuren und mit Fotos und Objekten bestreiten, sprach jedoch bescheiden nie von «Kunst», sondern wollte anderen Freude bereiten.

Wir realisierten als eingespieltes Team auch gemeinsam zahlreiche Projekte, durften zum Beispiel mehrere Kinderstücke für das Stadttheater Bern in Mundart übersetzen. 1992 übertrugen wir einen Asterix ins Berndeutsche: «D Rose u ds Schwärt». 2007 wurde aus Richard Bachs «Die Möwe Jonathan» «D Möwe Jonathan» samt Hör-CD.

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Im Herbst 1992 kehrten wir nach Bern zurück. Markus sah «seine» Stadt mit neuen Augen und wollte sie wieder und wieder neu sehen, neu riechen, neu hören, neu erleben. So kam eines Tages die Idee auf, das schöne (un)bekannte Bern darzustellen.

Beim Fotografieren bin ich mir bei den ersten Aufnahmen vorgekommen wie Hans-guck-in-die-Luft. Ich habe Dachrinnen, Unterdächer, Fensterstürze fotografiert in der Absicht, die Leute sollten ruhig den Kopf für einmal noch etwas höher tragen als sie dies ohnehin schon ab und zu tun.

«Tante Jeanne», eines der «Pinggelis» von Markus Traber (Foto: zvg).

Das Fotobuch «Schönes (un)bekanntes Bern» erschien und eine neue CD: «Mängisch grännisch anschtatt zlache». Markus schrieb im Booklet: «Es ist erstaunlich, dass uns allen immer wieder neue Chansons einfallen und das Publikum unsere Vorstellungen besucht. Und zwar nicht nur unsere Generation, sondern auch, je länger desto mehr, wieder jüngere Zuhörer, die vielleicht überrascht sind, dass wir immer noch auftreten.»

Chansons zum ‘Aalänge’.

«Unplugged» heisst das heute. – Einfach so, ein Stuhl auf der Bühne, und das Ganze noch in Berndeutsch! In der Muttersprache. Sprache zum Verstehen. Themen zum Verstehen. Alltägliches. Auch Lustiges und Ernstes. Trauriges gar. Chansons zum «Aalänge».

Ohni Rücksicht uf Verluschte

2000 erhielt Markus die Diagnose Krebs. Er kämpfte sich nach Operation und Bestrahlungen hartnäckig in ein normales Leben – und auf die Bühne! – zurück und gab eine neue CD heraus: «Ohni Rücksicht uf Verluschte». Wir zogen noch einmal um, nach Worb. Am 13. Februar 2005 fand im Stadttheater die Jubiläumsvorstellung «40 Jahre Berner Troubadours» statt, aber die Frage «Wie viele Jahre noch …?» lag in der Luft.

Markus erfüllte sich einen grossen Wunsch und gründete 2006 das Kleintheater Braui Worb, verausgabte sich jedoch und arbeitete über seine Kräfte. Anfang Mai 2010 starb sein Freund und Mit-Troubadour Fritz Widmer. An der Trauerfeier war Markus bedrückt. Er ging leicht gebeugt, hustete, atmete schwer. In einem seiner letzten Chansons sprach er von «Längizyti»:

Längiziti han i mängisch.
Nach meh Witi, nach meh Ruum.
Schwindufrei chönnen abeluege u frage:
He, dert unge, heit dir’s guet?»

Am Pfingstsonntag, 26. Mai 2010, starb er an einem plötzlichen Herzschlag, daheim.

Bis vor Kurzem ertrug ich es nicht, seine Chansons, seine Stimme zu hören, ohne dass mir die Tränen kamen. Beim Aufschreiben seines reichen Lebens habe ich alles, was ich mit ihm zusammen teilen durfte, noch einmal wie neu erlebt. Die Erinnerungen an ihn, an einen überaus liebenswerten, kreativen, humorvollen, warmherzigen Menschen bleiben. Hoffentlich auch bei anderen.

 

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Berner Landboten.