Bern ist klein. Bern ist eng. Wer in Bern ist, will raus in die Welt. Auf dem Podium am ersten Bonsoir Jardin zur Kultur in der Stadt Bern waren zum Teil sehr kritische Stimmen zu hören. «Bern ist von der Bauart und von der Struktur der Stadt her kompliziert, man findet keine Gebäude mehr, an denen man etwas machen könnte wie Hallen, Fabrikgelände, alles wird verdichtet, überbaut, abgerissen, man findet keine Lokalitäten mehr», beklagte beispielsweise Christine Wyss, Leiterin des Strassenmusikfestivals «Buskers». Ein weiterer Stolperstein sei die Bürokratie. Jedes Jahr müsse pro Gesuch eine weitere Seite ausgefüllt werden. «Tanz dich frei war ja auch eine Reaktion auf diese wachsenden Hürden», so Wyss.
«Tanz dich frei war auch eine Reaktion auf diese wachsenden Hürden»
Christine Wyss, Leiterin des Strassenmusikfestivals «Buskers»
Doch ist das wirklich so? Und wenn die Verhältnisse für die Kultur so schlecht sind, warum wehrt sich niemand dagegen? Einige heftige Reaktionen im Publikum zeigten, dass es durchaus Raum für Kultur gibt. Beispielsweise den Progr oder Transform. Auch auf dem Podium mochten nicht alle in dieses Lamento einstimmen.
«Ich finde nicht, dass es zu wenig Platz gibt. Es gibt ja eher schon ein Überangebot an Kunst», erklärte Simon Baumann, Musiker und Produzent. Für Georg Pulver, Präsident der Kulturkommission der Burgergemeinde Bern, war klar, dass es zwar einen Mangel an Industriebrachen gibt, um grosse Projekte zu realisieren, aber in Bern dennoch ein reges Kulturleben existiert. Und ganz ketzerisch fragte sich «Norient»-Gründer Thomas Burkhalter ob es nicht zu viele Künstler gibt und man in Bern besser weniger Künstler mir mehr Mitteln fördern sollte.
«Es gibt ja eher schon ein Überangebot an Kunst»
Simon Baumann, Musiker und Produzent
Bonsoir Jardin-Gründer und Moderator Christian Lundsgaard-Hansen führte unaufdringlich aber souverän durch den Abend. Auch wenn seine konkreten Fragen nicht immer zu einer konkreten Antwort führten, so lösten sie doch spannende Diskussionen aus.
Was machen Künstlerinnen und Künstler im Moment, wo der Kühlschrank leer ist, war eine dieser konkreten Fragen. «Ich habe einen leeren Kühlschrank, weil die Bereitschaft der Leute nicht da ist, heutzutage für Musik, hinter der harte Arbeit steckt, zu bezahlen», ärgerte sich Simon Baumann. Es sei nicht schön, wenn einem Freunde auf die Schulter klopfen und die neue CD loben, und gleichzeitig aber sagen, dass sie diese gratis aus dem Netz heruntergeladen haben. Manchmal müssen Kunstschaffende irgendeinen Job machen, um ein bisschen Geld zu verdienen. Fabienne Addor, Gründerin Tanzwerk, zeigte sich aber überzeugt, dass sich Engagement irgendwann auszahlt. Zudem haben Künstler nicht nur einen monetären Gegenwert. Sie geniessen grössere Freiheit. «Als Kulturschaffender kann ich das Leben möglichst nach meinen Ideen kreieren und gestalten», brachte Thomas Burkhalter den Reiz, Kunstschaffender zu sein, auf den Punkt.
«Es ist wichtig, dass wir stolz sind auf unsere Kultur»
Fabienne Addor, Gründerin Tanzwerk
Wie viel Lokalpatriotismus darf sein? Diese Frage stellte eine Zuschauerin auf Journal B. «Es ist wichtig, dass wir stolz sind auf unsere Kultur», so Fabienne Addor. Sie zeigte sich aber erstaunt darüber, dass insbesondere ihre Anlässe kaum von Stadtbewohnern frequentiert werden, sondern eher von Besucherinnen und Besuchern aus umliegenden Gemeinden. «Es würde eigentlich noch mehr Lokalpatriotismus vertragen», meinte Fabienne Addor deshalb. «Leute von ausserhalb zeigen mir immer wieder, wie schön es eigentlich in Bern ist», erklärte auch Christine Wyss. Doch was ist überhaupt noch lokal? Selbst diese Frage war umstritten. Während eine Seite argumentierte, man müsse wegkommen von der Idee, dass nur das von der Aare umflossene Gebiet «die Stadt» ist und alles andere als Peripherie aufgefasst werde, erklärten Andere in sehr emotionalen Voten, dass Kultur ins Zentrum gehört. Umnutzungen am Rande der Stadt seien nicht der richtig Weg.
«Leute von ausserhalb zeigen mir immer wieder, wie schön es eigentlich in Bern ist»
Christine Wyss, Leiterin des Strassenmusikfestivals «Buskers»
Was vom Abend in Erinnerung bleibt, sind die engagierten Diskussionen. Bereits vor dem Podium wurde in den Zuschauerrängen heftig debattiert. Nach der relativ beschaulichen und ruhigen Gesprächsrunde auf der Bühne fand ein interessierter und angeregter Austausch mit dem Publikum statt. Man merkte, dass wohl hauptsächlich Kunstschaffende oder sehr interessierten Gäste den Weg ins Bonsoir gefunden hatten.