In der hinteren Ecke des Innenhofs der Reitschule, hinter einer kleinen Türe, zwischen dichtem Efeu versteckt, befindet sich die Reitschuldruckerei. Sie ist beinahe schon ein Traditionsbetrieb, denn schon kurz nach der Besetzung der Reitschule im Frühling 1988 schleppten Aktivist*innen die erste Offset-Druckmaschine in das neu besetzte Haus.
«Am Anfang wurden eigentlich nur reitschulinterne Sachen gedruckt, wie das Megafon (Hauszeitschrift der Reitschule) und natürlich unzählige Flugblätter, Plakate, Flyer, Karten und Kleber, um unsere Vision einer solidarischen Gesellschaft in die Welt zu tragen», erzählt David Böhner, der seit 1995 im Kollektiv der Druckerei arbeitet.
Die Druckerei ist nicht gewinnorientiert, sie muss aber ihre Fixkosten decken.
«Mit den Jahren kamen neue Maschinen in die Druckerei, die Räume wurden erweitert, externe Aufträge kamen dazu und wir fingen an Löhne auszuzahlen. Diese Professionalisierung ist mit der Zeit irgendwie natürlich entstanden. Für uns war das Drucken halt mehr als nur ein Hobby, es ist unsere Arbeit. Diesen Aufwand wollten wir auch fair entlöhnen», so Böhner weiter.
Das Kollektiv besteht zurzeit aus acht Personen, die in unterschiedlichen Pensen im Stundenlohn arbeiten. Die Druckerei ist nicht gewinnorientiert, sie muss aber ihre Fixkosten decken. Dabei verzichtet die Druckerei auf hierarchische Strukturen: Im Kollektiv sind alle gleichberechtigt, «auf Augenhöhe», wie es Böner beschreibt. Entscheidungen werden gemeinsam im Plenum diskutiert und es wird im Konsensprinzip entschieden. Heisst: Alle Mitglieder des Kollektivs müssen einverstanden sein. Das könne auch mal in längere Diskussionen ausarten, jedoch habe sich das hierarchielose Prinzip bewährt, meint Böhner: «Wir sind halt auch ein überschaubares Kollektiv, mit nur acht Mitgliedern verlaufen die Diskussionen meistens recht harmonisch».
Ansteckender Idealismus
Die Druckerei ist als Arbeitsgruppe in die Strukturen der Reitschule eingebunden, wie es beispielsweise auch das «Sous le Pont», das «Tojo» oder auch der «Dachstock» sind. Bei den sogenannten Koordinationssitzungen schicken alle Arbeitsgruppen der Reitschule eine*n Delegierte*n an die Sitzung, um über strategische Entscheide, die die Reitschule als Ganzes betreffen, zu befinden. Auch diese Entscheide werden im Konsensprinzip gefällt.
Ich empfinde es als Privileg, mit Gleichgesinnten in einem Kollektiv zu arbeiten
Der Austausch mit anderen Menschen und Projekten in der Reitschule passiert nicht nur an den Sitzungen, sondern immer wieder im Alltag. «Diese Motivation, dieser Idealismus der anderen Menschen und Projekten in der Reitschule, ist ansteckend und motiviert uns gegenseitig. Als wir beispielsweise unsere neue Offset-Maschine im Raum verschieben mussten, haben wir spontan das Tojo um Hilfe gebeten, und prompt war die ganze Theatergruppe bei uns am “Lüpfe“. Wir helfen einander und es ist schön, ein Puzzleteil der Reitschule zu sein und einen Beitrag zum Ganzen zu leisten. Ich empfinde es als Privileg, mit Gleichgesinnten in einem Kollektiv zu arbeiten», erzählt Dominic Imdorf, der seit 2006 im Drucki-Kollektiv dabei ist.
Die Druckerei bietet viermal im Jahr auch Siebdruckkurse und eine offene Werkstatt an. «Wir wollen unsere Infrastruktur mit den Leuten teilen, damit sie ihre eigenen Projekte verwirklichen können», so Imdorf. Der Kurs besteht aus vier Einheiten und kostet 300, respektive 200 Franken mit Kulturlegi.
Nicht jeder Auftrag wird angenommen
«Wir diskutieren manchmal auch, ob wir einen Auftrag annehmen wollen oder nicht. Idealerweise ist es ein Projekt, das unsere Werte teilt. In einem normalen Druckereibetrieb, der voll auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist, wäre so eine Diskussion über Sinnhaftigkeit gar nicht möglich, das ist auch ein Privileg. Klar, wir haben einen eher tiefen Lohn, was in der Druckbranche leider üblich ist, jedoch haben wir sonst viele Vorteile: Es herrscht ein freundschaftliches Verhältnis im Kollektiv, wir sind sehr flexibel, auch kleine Pensen sind möglich. Jetzt im Sommer wird ein Kollektivmitglied zwei Monate in die Ferien gehen, auch das wäre wohl in einem normalen Betrieb eher schwierig», erzählt Imdorf weiter.
«Die meisten Menschen, die mit Aufträgen zu uns kommen, wissen ja, wer wir sind, deshalb decken sich die Wertvorstellungen meistens von selbst. Es macht aber natürlich schon einen Unterschied, ob man die Werte teilt oder nicht. Die Sinnhaftigkeit auch bei externen Aufträgen zu haben, motiviert zusätzlich», ergänzt Böhner.
«Das hätte uns fast das Genick gebrochen»
Letztes Jahr stand die Reitschuldrucki plötzlich vor dem finanziellen Aus. Was war passiert? «Wir haben elf Jahre für eine neue Offset-Druckmaschine gespart. Wegen den knappen Platzverhältnissen kam eigentlich nur eine einzige Maschine, von einem Händler in Deutschland, in Frage. Wir haben die Maschine gekauft und plötzlich ging der Händler aus Deutschland Konkurs. Das Problem: Da die Maschine noch nicht bei uns angekommen war, gehörte die Maschine zur Konkursmasse und uns blieb nichts anderes übrig, als die Maschine ein zweites Mal zu kaufen. Das war eine einschneidende Geschichte, die uns fast das Genick gebrochen hätte», erzählt Böhner.
Das Drucki-Kollektiv entschied sich daraufhin, ein Crowdfundig zu starten, und erhielt auch von Privaten viele Spenden, um die neue Maschine kaufen zu können. «Diese Solidarität zu spüren, zu sehen, dass wir in kurzer Zeit von so vielen Menschen unterstützt wurden, dafür sind wir sehr dankbar», sagt Imdorf. Die Maschine ist nun endlich da und funktioniert einwandfrei.