Alltag - Kolumne

Es grünt nur grün, wenn‘s Vorschrift ist

von Peter Steiger 17. Dezember 2024

Alt.Mann.Bern. Unser Kolumnist ist ein Grüner. Oder will so aussehen. Grün ist die Farbe der Hoffnung. Nämlich, dass es die andern tun.

Bei uns im Lift hängt eine Affiche, die verkündet, dass wir bescheiden heizen sollen. Beachtet das Frau Wermelinger (Name geändert)? Eher nicht. Bei uns ennet der Aare klebt am Zaun der Hinweis, dass man den Abfall nicht auf die Weide werfen soll. Hält sich Familie N. dran? Nun ja, an einem Butterbrotpapier wird die Kuh wohl nicht sterben. Bei uns im Quartier sucht die Kompostiergruppe weitere Mitarbeitende. Wird sich der Kolumnist melden? Nein, die anderen sollen.

Er, der Kolumnist, schämt sich erstens ein bisschen. Und ist zweitens überzeugt, dass wir uns nur ökologischer verhalten, wenn Paragrafen dies vorschreiben, wenn Geld lockt oder wenn wir als Umweltsünder allzu schief angesehen werden.

Nur Handfestes bringts also. Das will der Verfasser am lebenden Objekt beweisen, an sich selber. Ich bin der Mittelwert in Sachen Öko. Beim Einkaufen benütze ich die Mehrwegsäckli für Früchte und Gemüse nur selten. Ebenso selten beachte ich all die Nachhaltigkeits-Zertifikate. Ich fahre Auto und freue ich mich über meine gäbige Ausrede: Rollstuhl. Geflogen bin ich schon eine Weile nicht mehr. Doch wenn ein Reiseziel locken würde − ich weiss nicht. Wenn ich mich umblicke: Die meisten Leute geben sich ebenso grün wie ich − und sind in Wirklichkeit ebenso grüner Durchschnitt wie ich.

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Nur Zwang, Lackschaden am Image oder der Griff ins Portemonnaie würden uns Scheinökos auf einen grüneren Pfad bringen.

Paragrafen. Beispiel Katalysator. Seit 1986 müssen Autos eine solche Abgasreinigung haben. Es gab damals viel Geschrei drumherum. Jetzt ist das Ding selbstverständlich geworden. Nun mein Bekenntnis: Wenn ich wählen könnte − ich weiss nicht, ob ich mich für das tausendfränkige Ding entscheiden würde. Hoffentlich.

Bella Figura. Ich war mal Raucher. Ein Nikotin-Junkie. Wenn‘s niemand sah, stahl ich während des Entzugs Zigarettenstummel aus den Aschenbechern. Das ist vorbei. Gesundheit und so. Heute sind bei mir keine rasselnden Lungen mehr zu hören. Dafür sind andere Störgeräusche zu vernehmen. Man schimpft über die Raucher*innen. Man hat sie nicht mehr lieb. In den Restaurants sind sie im Wortsinne Aussenseiter. Früher galoppierte der Marlboro-Mann durch die Prärie, jetzt muss er im Saloon bleiben. Früher gabs bei der Bahn zwei Abteile. Die Raucher sassen auf roten Schandbänkli, die Nichtraucher im grünen Bereich. Das, was früher beliebt war, kratzt heute am persönlichen Image. Wir verzichten nicht wegen der schaurigen Bilder oder den Todesdrohungen auf den Packungen. Sondern weil wir bella figura haben wollen.

Portemonnaie. Unser Nachbar ersetzt seine Ölheizung und lässt im Garten ein tiefgründiges Loch bohren. Für die Erdwärmeheizung. Das kostet. Auf längere Zeit rechnets sich aber, weil er kein Öl mehr kaufen muss. Umweltschutz per Bankkonto also. Soweit so gut. Nun zum Paradoxon: Nachbars, eine nette Familie, haben einen Stadtpanzer, BMW X7, 2,5 Tonnen schwer. Damit fahren sie gerne ins nahe Zähringer-Migros. Und kehren mit drei Yoghurts zurück, natur, bio.

Paragrafen, Imageschaden, Portemonnaie, das bringts. Affichen, Kampagnen, Aufrufe taugen nichts.