Erste Foodcoop in Bern

von Nicolas Eggen 2. Mai 2023

Foodcoop Selber Mitglied sein und im Laden arbeiten. «Güter Foodcoop» im Mattenhofquartier ist die erste Lebensmittelkooperative dieser Art in der Deutschschweiz.

An der Tscharnerstrasse 20 deutet beim Vorbeilaufen nichts auf einen Lebensmittelladen hin. Bei einer vermeintlichen Garageneinfahrt ist ein Schild mit der Inschrift «Eingang Güter» versteckt. Der Laden muss aber auch nicht auffallen, denn auf Laufkundschaft ist die «Güter Foodcoop» nicht angewiesen. Es handelt sich nämlich um eine selbstverwaltete Genossenschaft, bei der alle Einkaufenden auch Mitbesitzende sind und das Sortiment und die Genossenschaft aktiv mitgestalten können. Jedes Mitglied arbeitet durchschnittlich alle vier Wochen 2 Stunden 45 Minuten im Betrieb mit.

(Foto: Nicolas Eggen)

«Die Idee kam nach einem längeren Aufenthalt in New York. Bekannte hatten uns die ‚Park Slope Food Coop‘ empfohlen und wir dachten uns, es wäre toll auch in Bern eine solche Lebensmittelkooperative zu gründen», erzählt Nick Pohl, Gründungsmitglied von Güter. «Park Slope Food Coop» ist das wohl bekannteste Projekt einer Lebensmittelkooperative, wurde bereits 1973 gegründet und zählt heute etwa 17‘000 Mitglieder. Zusammen mit einer Gruppe von motivierten Leuten machte sich Nick Pohl vor etwa drei Jahren daran, eine Foodcoop in Bern zu gründen. Zu Beginn sei vor allem die Suche nach einem geeigneten Lokal die grösste Herausforderung gewesen. Dann die unerwartete Wendung: «Wir wurden von einem ähnlichen Projekt kontaktiert, welches aus wirtschaftlichen Gründen den Betrieb einstellen musste. So konnten wir neben dem Lokal auch gleich das ganze Mobiliar, wie die Gestelle und Kühlschränke übernehmen», berichtet Pohl. Nach einem erfolgreichen Crowdfunding konnte im Oktober 2022 der Laden in der Nähe des Eigerplatzes eröffnet werden.

Nick Pohl und Brigitte Lobsiger (Foto: Nicolas Eggen).

Gemeinschaftliches Projekt

Die Mitarbeit im Laden schafft einen direkten Bezug zum Projekt und ein Gemeinschaftsgefühl unter den Mitgliedern. Man kennt einander, Einkaufende werden mit Namen begrüsst. Eine Frau, die gerade einkauft, erzählt nebenbei, dass die Hilfe untereinander grossartig sei: «Zu Beginn fragten zum Beispiel Mitglieder, welche die erste Schicht im Laden leisten mussten, die Einkaufenden um Rat wie dieses oder jenes funktioniere. Hier wissen alle, wie der Karren läuft und man hilft sich gegenseitig!»

Dieses Gefühl einer Gemeinschaft, die sich für ein nachhaltiges Einkaufen einsetzt, ist auch für Brigitte Lobsiger zentral: «Mir war bewusstes Einkaufen schon vorher wichtig. Also beim Einkaufen auf biologische, saisonale und regionale Produkte zu achten». Bekannte haben ihr von «Güter» erzählt und sie war sofort begeistert. Sie leistet ihre Schicht im Laden und sagt: «Ich finde es genial, bei einem solchen Projekt mitzumachen, aktiv anzupacken und einander zu helfen!» Sie kaufe hauptsächlich bei Güter ein, der Grundbedarf sei gedeckt, jedoch müsse sie manchmal auch auf andere Läden ausweichen: «Es ist auch nicht immer alles verfügbar, manchmal gibt es gewisse Produkte nicht, weil es beispielsweise nicht die Saison dafür ist. Das finde ich gut und auch richtig so. Das ‚bewusste Einkaufen‘ wird so weiter gefördert.»

(Foto: Nicolas Eggen)

Nachhaltige Produkte für alle zugänglich machen

Die Produkte, die man bei Güter findet, müssen strenge Kriterien erfüllen, damit sie ins Sortiment kommen. Es wird grossen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit gelegt, sei dies beim Anbau oder der Produktion. Aber auch auf die Arbeitsbedingungen bei den Produktions- und Lieferketten wird geschaut. «Kann uns ein Betrieb nicht transparent zeigen, wie die Arbeitsbedingungen sind, dann versuchen wir auf einen anderen auszuweichen, der diese Information liefern kann», erklärt Pohl. So gibt es etwa Gemüse vom solidarischen Landwirtschaftsprojekt «Tapatate!» in Wallenbuch oder vom Biohof Heimenhaus.

Es wurden diesbezüglich aber auch Kompromisse gemacht. Etwa bei Kaffee, Tabak oder Zitronen, also bei Importprodukten, die nicht gerade einen nachhaltigen Ruf geniessen. Viele Importprodukte kauft Güter bei «Gebana» ein, ein Unternehmen, das hohe Standards bezüglich Nachhaltigkeit verfolgt. «Wir wollen lieber einen ‚vertretbaren‘ Kaffee anbieten als gar keinen. Denn sonst weichen die Leute auf die herkömmlichen Varianten aus und das verfehlt schlussendlich auch unser Ziel», erklärt Pohl pragmatisch.

(Foto: Nicolas Eggen)

Nachhaltige Produkte haben bekanntlich ihren Preis. Um Personen mit geringeren Einkommen nicht auszuschliessen, haben Einkaufende bei Güter die Möglichkeit, einen Prozentanteil ihres Einkaufs zu spenden. Die Spenden gehen auf ein Solidaritätskonto, aus welchem Mitglieder mit geringem Einkommen dann Einkaufsguthaben beziehen können. «Auch Personen mit geringem Einkommen sollen die Möglichkeit haben, nachhaltige Produkte zu kaufen. Wir wollen damit einen Beitrag zur Umverteilung leisten», erklärt Pohl. Im Unterschied zu anderen Läden, hat «Güter» aber keine Lohnkosten, denn alle arbeiten ehrenamtlich, was wiederum zu niedrigeren Preisen führt. «Wir erarbeiten momentan eine Art Vergleichs-Warenkorb, um zu sehen wie unsere Preise im Vergleich zu anderen Bio-Läden dastehen. Ich würde sagen, wir sind bei vielen Produkten günstiger als andere Bio-Läden, mit den Preisen von Migros und Coop können und wollen wir aber nicht mithalten», so Pohl zu den Preisen.

Journal B unterstützen

Unabhängiger Journalismus kostet. Deshalb brauchen wir dich. Werde jetzt Mitglied oder spende.

Bezahlt wird grösstenteils mit einer eigens geschaffenen «Güter-Karte», auf die die Mitglieder Guthaben einzahlen. «Mit diesem ‚Vorauskasse-System‘ haben wir auch eine gewisse finanzielle Sicherheit bei den Bestellungen», erklärt Pohl die «Güter-Karte». Denn vor allem am Anfang war vieles bezüglich Preise, Marge und Finanzierung noch unklar. «Wir haben Projekte in der Romandie besucht, uns mit ihnen ausgetauscht und konnten somit von ihren Erfahrungswerten profitieren», berichtet Pohl. Die Marge wurde auf 30% gesetzt, diese könne aber auch noch angepasst werden, je nachdem wie das Geschäft laufe und ein allfälliger Gewinn fliesse ganzheitlich zurück ins Projekt, so Pohl weiter.

(Foto: Nicolas Eggen)

Zukunftsvision

Güter Foodcoop zählt aktuell rund 230 Mitglieder. Um finanziell noch ein bisschen stabiler zu werden, wäre ein Zuwachs auf etwa 300 Mitglieder ideal. Riesige Expansionswünsche hegen die Betreiber:innen aber nicht, der Laden soll grundsätzlich ein Mitmachladen bleiben, alle sollen weiterhin mitwirken und mitbestimmen können. Ein kurzfristiges Ziel ist es, den Laden noch mehr im Quartier zu verankern. «Wir planen verschiedene Aktionen im Quartier, darunter auch Tage der offenen Tür», sagt Lobsiger. Grundsätzlich können auch Nicht-Mitglieder im «Güter» einkaufen. Diese können zwei Probeeinkäufe machen, bevor sie Mitglied werden – «wobei wir das nicht wirklich streng kontrollieren» fügt Lobsiger mit einem Schmunzeln an. Zu einer möglichen Sortimenterweiterung hingegen meint Lobsiger: «Warum nicht nachhaltige Kleider ins Sortiment aufnehmen oder schauen, ob wir einigermassen vertretbare Quellen für Elektroartikel finden?»