Erneuter Abbau beim Lokaljournalismus

von Willi Egloff 21. September 2022

Der Bundesrat verzichtet ab 2025 bei kommerziellen Privatradios, die in städtischen Gebieten und im Mittelland tätig sind, auf Leistungsaufträge. Damit dürften auch bei Radio Bern 1 und bei Energy Bern die letzten Reste von Lokaljournalismus bald verschwinden.

Vor ziemlich genau einem Jahr verkündete das Bundesamt für Kommunikation, dass es der lokalen Berichterstattung bei Lokalradios und Regional-TVs grösseres Gewicht beimessen wolle. Die Sender sollten mehr und besseren Lokaljournalismus betreiben, dafür aber auch finanziell unterstützt werden.

Nun hat das gleiche Bundesamt vor dem Widerstand der grossen Medienkonzerne kapituliert. Auf Antrag des Amtes hat der Bundesrat am vergangenen Freitag beschlossen, die Konzessionspflicht für kommerzielle Lokalradios in Agglomerationen ganz aufzuheben und damit auch die geltenden Auflagen für ein Mindestangebot an lokaler Information zu streichen.

Was bleiben wird? Unverbindliches Geplauder über lokale Prominenz, Verbrechen und Unfälle im Sendegebiet.

Die Lokalnachrichten dürften sich damit bei allen betroffenen Stationen in kürzester Zeit auf das Minimum reduzieren, auf dem es bei Radio Energy Bern bereits angelangt ist: auf unverbindliches Geplauder über lokale Prominenz sowie über Unfälle und Verbrechen, die sich zufällig im Sendegebiet ereignet haben.

30 Minuten Lokalnachrichten müssten konzessionierte Lokalradios gemäss Konzession heute täglich liefern. Dass sie diese Auflage in der jüngeren Vergangenheit nur sehr ungenügend bis gar nicht erfüllten, führte zu einer durchaus heftigen Intervention des Bundesamtes. Dieses leitete gegen 10 von ihnen Aufsichtsverfahren ein. Wie sich jetzt herausstellt, handelte es sich um ein letztes und erfolgloses Aufbäumen der Beamtinnen und Beamten in Biel, die sich jahrzehntelang für ein Radio im Dienste der Öffentlichkeit eingesetzt hatten: Die Beanstandung der offensichtlichen Verstösse gegen diese Programmauflage führen nun nämlich nicht zu einer Verbesserung der betroffenen Radioprogramme, sondern zur Abschaffung der Vorschrift.

Wer sichert in Zukunft die lokale Berichterstattung?

Nach dem Abbau der Lokalberichterstattung, wie er im Bereich der Presse durch die Zusammenlegung der Redaktionen von Bund und Berner Zeitung vorexerziert wurde, geht es nun also auch dem lokalen Service public im Radiobereich an den Kragen.

Politikerinnen und Politiker werden zwar nicht müde, die grosse Bedeutung der Medien als vierter Gewalt im Staate und als unerlässliche Infrastruktur für die Demokratie hervorzuheben. Sie sind aber offenkundig nicht in der Lage, für die politischen Rahmenbedingungen zu sorgen, die für die Umsetzung dieser Aufgabe erforderlich wären.

Bekanntlich spielt sich die Demokratie in der Schweiz auf den drei Ebenen von Bund, Kanton und Gemeinde ab. Auch auf kommunaler Ebene sind daher eine ausreichende Versorgung mit lokalen Informationen und ein funktionierender Informationsaustausch von existenzieller Bedeutung für die Demokratie.

Es soll nun also auch im Radiobereich dem Markt überlassen bleiben, für eine ausreichende lokale Berichterstattung zu sorgen.

Genau dies steht nun aber offenbar zur Disposition: Für die Stadt Bern wird es ab 2025 noch eine einzige Radiostation geben, die mit einem Leistungsauftrag zur Erbringung lokaler Informationsleistungen verpflichtet ist, nämlich Radio RaBe. Für den ganzen Rest der Agglomeration Bern gibt es keinen einzigen solchen Leistungsauftrag mehr. Und weil es für sämtliche kommerziellen Radiostationen in den städtischen Gebieten und im Mittelland keine Konzessionen mehr geben soll, wird der Bund in Zukunft gar keine Möglichkeit mehr haben, solche Leistungen einzufordern.

Radio Rabe Schriftzug
Der letzte lokale Service Public in Bern: Radio RaBe (Foto: Luca Hubschmied).

Damit soll es nun also auch im Radiobereich dem Markt überlassen bleiben, für eine ausreichende lokale Berichterstattung zu sorgen. Dass das nicht funktioniert, sollte die jüngere Vergangenheit eigentlich ausreichend bewiesen haben: Die dominierenden Medienkonzerne, die in Bern vertreten sind, nämlich TX Group, CH Media und Ringier, interessieren sich für diese Aufgabe nicht wirklich, weil Lokaljournalismus eben sehr teuer ist und sich nur an ein begrenztes Publikum richten kann. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sie ihre Unternehmenspolitik in absehbarer Zukunft ändern werden. Es ist daher unerfindlich, wie sich durch mehr Markt die Situation verbessern könnte.

Staatliche Förderung der lokalen Berichterstattung?

Eine lokale Berichterstattung in der Agglomeration Bern kann daher nur über eine staatliche Förderung gesichert werden. Durch Beiträge aus der Haushaltabgabe für Radio und Fernsehen an die Betriebskosten von Radio RaBe geschieht dies schon heute, allerdings sehr punktuell und in sehr geringem Umfange. Sinnvoll wäre es, diese Förderung auszubauen und analoge Unterstützungsmassnahmen auch für Onlinemedien einzuführen, die sich zu einer regelmässigen lokalen Berichterstattung verpflichten. Auf solchem Wege könnte die lokale Berichterstattung am besten und mit angemessenem finanziellem Aufwand vor ihrem schleichenden Aussterben bewahrt werden.

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Neben der Zuweisung von Geldern aus der Haushaltabgabe für Radio und Fernsehen ist im Kanton Bern seit kurzem auch eine kantonale Förderung denkbar. Anfang September hat der Grosse Rat ein revidiertes Informationsgesetz  verabschiedet, das neu auch eine indirekte Medienförderung vorsieht. «Indirekt» heisst, dass der Kanton – ausserhalb des französischsprachigen Kantonsteils – keine einzelnen Medienunternehmen unterstützen darf, sondern nur Infrastrukturen im Medienbereich.

Eine Förderung der lokalen Berichterstattung müsste also etwa dadurch geschehen, dass eine noch zu gründende, vom Kanton finanzierte und nicht-kommerzielle Agentur die vorhandenen Medien mit qualitativ hochstehenden, aber kostenlosen Beiträgen zu aktuellen lokalen Themen versorgt. Ob das in der Praxis funktionieren würde, ist offen. Einen Versuch wäre es angesichts des absehbaren Kahlschlags in der lokalen Berichterstattung aber durchaus wert.