Wer heute durchs Weissensteinquartier spaziert, stösst unausweichlich und ziemlich rasch auf eine riesige Grünfläche, genauer gesagt auf mehrere: Es sind Fussballfelder, die sich aneinanderreihen, Naturrasen, Kunstrasen, verschiedene Abstufungen eines hellen Grüns, daneben die neue Mehrzweckturnhalle Weissenstein. Daran südlich angrenzend steht die Eisenbahnersiedlung, schöne, etwas in die Jahre gekommene mehrstöckige Häuser mit Gartenfläche. An den Ursprung der Siedlung erinnern Strassennamen wie «Gotthardweg» und «Simplonweg».
Ein kleiner Teil des Quartiers, auf der Seite der Könizstrasse gelegen, gehörte einst der Genossenschaft der Berner Tramfahrer, wie mir Philipp Burkard erzählt, jene hat sich aber schon länger aufgelöst, die Häuser sind nun grösstenteils in Privatbesitz. Diese Unterscheidung scheint ihm wichtig zu sein, er spricht bedächtig und erklärt, dass aus diesem Teil des Quartiers die Idee zum ZwischenRaum Weissenstein stammt. «Der Name ZwischenRaum ist eine Anspielung darauf, dass mit diesem Treffpunkt auch eine Brücke geschlagen werden sollte zwischen der alten Eisenbahnsiedlung und der neuen Hardegg-Überbauung südlich davon.» Burkard ist Co-Präsident des Vereins ZwischenRaum, der das kleine Gebäude gleich neben dem Kunstrasenfeld als Quartiertreffpunkt verwaltet und dort Anlässe organisiert.
Kein Trendquartier
Jetzt sitzt er entspannt am Gartentisch und lächelt, wenn er vom Weissensteinquartier schwärmt: «Es ist wie ein Dorf in der Stadt, so grün und so ruhig, perfekt für die Kinder. Und trotzdem sind wir mit dem Tram in wenigen Minuten im Zentrum. Interessanterweise ist die Überbauung im Weissenstein nicht sehr bekannt, alle wollen in die Trendquartiere Breitsch oder Länggasse ziehen.»
Seit mehr als zehn Jahren wohnt er hier mit seiner Familie, zuvor lernte er viele Seiten Berns kennen, wohnte in einer WG im Altenberg, an der Münstergasse und in der Nähe des Eigerplatzes.
Auf die Frage, wie er begann, sich im ZwischenRaum zu engagieren, muss Burkard lachen und antwortet: «Reingerutscht bin ich quasi über Kinderaktivitäten. Unsere Tochter war damals noch sehr jung und besuchte ab und zu Kinderfeste im ZwischenRaum.» Seit 2014 ist Philipp Burkard nun Co-Präsident des Vereins. Wie alle Vorstandsmitglieder ist auch er ein Freiwilliger, die Arbeit für den ZwischenRaum wird in der Freizeit erledigt. Der Verein zählt mittlerweile 110 Mitglieder, die sich mehr oder weniger stark engagieren. «Es ist ziemlich einfach, Helfer und Helferinnen für Anlässe zu finden», erklärt Burkard, «schwieriger wird es, wenn es darum geht, ein Projekt oder eine Veranstaltung alleine auf die Beine zu stellen.»
Zwischen dem Vidmargelände und der Eisenbahnersiedlung lag lange Zeit eine ungenutzte Brache, eine Kiesgrube. Als die Stadt vor mehr als zehn Jahren beschloss, die Sportplätze zu erweitern und neue Garderobenanlagen zu bauen, stand das alte Garderobengebäude, in der bis vor Kurzem noch die Spieler des FC Weissenstein ihre Alltagskleider gegen das blau-weisse Trikot tauschten, plötzlich unbenutzt da. An einem runden Tisch im Oktober 2003 diskutierten die Quartieranwohner erstmals über Ideen zur Nutzung des kleinen Gebäudes. Es sollte dann aber noch vier Jahre dauern, bis der Verein ZwischenRaum von der Stadt eine Nutzungsbewilligung erhielt. Philipp Burkard selbst gehörte damals noch nicht dazu: «Das war noch vor meiner Zeit. Verantwortlich für die Entstehung war quasi eine vorherige Generation des Vereins.» Seither wurden, oft in Eigeninitiative, in der Holzbaracke neue Böden verlegt, Fenster eingesetzt und eine moderne Küche eingebaut, die von der Ausstattung her an einen kleinen Gastrobetrieb gemahnt.
Der ZwischenRaum kann privat gemietet werden, der Verein selbst organisiert regelmässige Anlässe, wie etwa die monatliche Freitagsbar oder zweimal im Jahr ein Quartierfest. Philipp Burkard betont, dass man offen sei für weitere Ideen: «Wir hatten auch schon Buchvernissagen oder einen Vortrag zum bedingungslosen Grundeinkommen.» Oft sind es auch ganz simple Ideen, die ihn zu begeistern vermögen: «Wir wollen auch diesen Herbst wieder eine Reihe mit ‘Dia-Abenden’ machen. Dabei erzählen Leute aus dem Quartier anhand von Bildern von einer Reise, die sie unternommen haben. Seien dies nun Ferien in den USA oder eine Velotour in Skandinavien», freut sich Burkard, «…das ist immer wunderschön zu hören». Es gäbe genug kulturelle Angebote in der Stadt, der ZwischenRaum soll vor allem eine Plattform für Menschen aus dem Quartier sein, die selbst das Wort ergreifen, Musik machen oder einfach einen Treffpunkt suchen.
Rechtsstreit um den Treffpunkt
Seit 2008 ist der Verein ZwischenRaum Mitglied der VBG. Von dieser erhält er einen jährlichen Unterstützungsbeitrag, der das Fortbestehen des Quartiertreffpunkts sichert. «Die Zusammenarbeit mit der VBG ist sehr angenehm», versichert Burkard, «so treffen wir uns einmal im Jahr zu einem Standortgespräch, und an der GV der VBG erfährt man Neues von den anderen Quartiertreffs, über ihre Projekte und aktuellen Schwierigkeiten.»
Der Treff im Weissenstein erfülle definitiv eine soziale Funktion und sei wichtig für die Stimmung in der Nachbarschaft, meint Burkard. Doch die Nutzung des ZwischenRaums stiess nicht immer auf Wohlwollen. Vor einigen Jahren fand sich der Verein plötzlich in einem Rechtsstreit wieder. Eine Anwohnerpartei beschwerte sich über laute Geräusche und Lärm vom ZwischenRaum und zog schliesslich vor Gericht. In dieser Zeit erwies sich die Hilfe von der VBG für Burkard als speziell wichtig: «Für uns war diese Angelegenheit sehr anstrengend, wir sind alles freiwillig Engagierte und plötzlich mussten wir uns mit juristischen Fragestellungen beschäftigen. Daher waren wir sehr froh, die Unterstützung der VBG im Rücken zu haben.»
Zu guter Letzt gelang es dann doch, die Angelegenheit aussergerichtlich zu regeln; der Verein ZwischenRaum machte einige Zugeständnisse, nahm unter anderem eine Lärmisolation vor. Mittlerweile kann Burkard über solche Sachen hinweglächeln, und es passt zu seiner gelassenen Art, wenn er über die Zukunft des ZwischenRaums sagt: «Wir müssen nichts grossartig Neues erfinden. Es reicht, wenn aus dem Vorstand ein paar Ideen kommen und hoffentlich immer wieder Initiativen aus dem Verein heraus entstehen. Mich würde es freuen, wenn das Ganze so lebendig weiterginge wie bis anhin.»