Eine neue Hotline gegen häusliche Gewalt

von Christine Meier 11. März 2022

Die Berner Hotline «AppElle!» ist ein Pilotprojekt für die Schweiz. Sie soll dafür sorgen, dass bei häuslicher Gewalt kein Hilferuf ins Leere geht.

«Er kontrolliert mich und sperrt mich ein», so Frau S., die mit ihrem Mann und den drei gemeinsamen Kindern (7, 4 und 3 Jahre) in einem kleinen Dorf im Kanton Bern wohnt. Frau S. ist seit Jahren Opfer häuslicher Gewalt.

Sie ist physischer und psychischer Gewalt sowie Morddrohungen seitens ihres Mannes ausgesetzt. Die gemeinsamen Kinder müssen die Gewaltausbrüche täglich miterleben.

Frau S. hat Angst, dass ihr Mann die Kinder unter der Ausrede, dass er mit ihnen die Ferien verbringen möchte, entführen wird. Aus Scham sucht sie keine Hilfe und erduldet Gewalt. Nach einem Streit mit ihrem Mann eskaliert die Situation und Frau S. gerät in einer akuten Bedrohungslage.

Risiko in eigenen vier Wänden hoch

Gewalt an Frauen wird häufig innerhalb der Partnerschaft oder im familiären Umfeld verübt. Das Risiko, durch eine Gewalttat verletzt oder ermordet zu werden, ist für Frauen nirgendwo so hoch wie in den eigenen vier Wänden durch den Partner oder Ex-Partner. Auch in der Schweiz!

Jede Woche gibt es im Rahmen häuslicher Gewalt einen Tötungsversuch.

Die Statistik zeigt, dass hierzulande durchschnittlich jede zweite Woche eine Frau an den Folgen häuslicher Gewalt stirbt. Jede Woche gibt es im Rahmen häuslicher Gewalt einen Tötungsversuch. Die Betroffenen müssen auf akute Gefährdungen sofort reagieren können.

Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – die Istanbul-Konvention – sieht im Artikel 24 die Umsetzung einer kostenlosen, landesweiten und täglich rund um die Uhr erreichbaren professionellen Telefonberatung vor.

Anruferinnen und Anrufer werden vertraulich oder unter Berücksichtigung ihrer Anonymität beraten, in Notfällen vermittelt die Hotline einen Platz in einem Frauenhaus oder einer anderen Unterkunft. Betroffene von häuslicher Gewalt haben in der Schweiz gemäss dem Opferhilfegesetz Anspruch auf Schutz und Beratung in akuten Gewaltsituationen.

Hotline AppElle! als nationaler Pilot

Kein Hilferuf darf ins Leere gehen! Die Hotline AppElle! ermöglicht es, gewaltbetroffenen Frauen und Kindern unter der Nummer 031 533 03 03 rund um die Uhr Kontakt mit fachlich qualifizierten Beraterinnen aufzunehmen.

Die Telefonberatung ist anonym und täglich 24 Stunden erreichbar.

AppElle! hat zum Ziel, von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern, ihren Bezugspersonen und Fachpersonen Opferhilfe-Beratung, Triage-Angebote, Notunterkunft und Schutz anzubieten. AppElle! wird auf Deutsch und Französisch angeboten. Die Telefonberatung ist anonym und täglich 24 Stunden erreichbar. Das Pilotprojekt AppElle! ist ein Modell, das aufzeigt, wie eine Istanbul-Konvention-kompatible Lösung zur nationalen Hotline aussehen könnte.

Dank AppElle! geht kein Anruf mehr ins Leere. Im Fall von Frau S. war der Hilfeanruf entscheidend. Von AppElle! hat sie Beratung sowie Informationen zu den Angeboten der Opferhilfestellen und Frauenhäuser erhalten. Zudem hat AppElle! für Frau S. und ihre Kinder eine Notunterkunft in einem Hotel organisiert. Danach bekamen Frau S. und ihre Kinder Schutz und Unterkunft in einem Frauenhaus. AppElle! konnte eine weitere Eskalation der Gewalt verhindern.

Langjährige Erfahrung

Das Projekt AppElle! wird gemeinsam von der Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern (stiftung-gegen-gewalt.ch) und dem Verein Solidarité femmes (solfemmes.ch) umgesetzt. Die beiden Organisationen betreiben die drei bestehenden Frauenhäuser im Kanton Bern und haben langjährige Erfahrung mit dem Thema häusliche Gewalt.
Solange eine gewaltfreie Gesellschaft noch nicht erreicht ist, leisten diese Organisationen mit AppElle! eine wichtige Arbeit.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf nau.ch.