Eine neue Bibliothek für Bern

von Janine Schneider 8. Dezember 2021

Die Politische Bibliothek ist in den Holligerhof 8 gezogen. Dort möchte sie einen Ort zur Recherche und zum Austausch über soziale Bewegungen bieten.

Im hohen Raum stehen Kisten mit Büchern und Zeitschriften, halb aufgebaute Regale, Zimmerpflanzen und mehrere Holztische. Roland Herzog hatte mich am Telefon vorgewarnt: «Wir sind noch nicht fertig eingerichtet». Der Verein «Politische Bibliothek und Diskussion Bern» ist im November in den von der Warmbächli Genossenschaft umgebauten Holligerhof gezogen. «Uns hat die vielfältige Nachbarschaft im Holligerhof angesprochen», so Roland Herzog, einer der Initianten des Projekts, zur Wahl des Standortes. Der Verein wurde 2015 gegründet, nun kann er erstmals Räumlichkeiten beziehen und seine Idee verwirklichen: Eine Bibliothek mit aktuellen Zeitschriften und Büchern über Theorie und Praxis sowie Archivmaterial zu sozialen Bewegungen in Bern und anderswo. Bis jetzt verfügt der Verein über mehrere tausend Bücher und mehr als 20 Zeitschriften, die durch die Bibliothek öffentlich zugänglich gemacht werden sollen. Diese stammen teilweise aus Nachlässen oder waren Schenkungen privater Personen. Besonders was die Auswahl politischer Zeitschriften beträfe, hätten sie nach dem Schweizerischen Sozialarchiv in Zürich wohl eines der vielfältigsten Angebote in der Schweiz, wie Roland Herzog erklärt. Und die neuen Räumlichkeiten bieten Platz für weitere 5’000 Bücher.

Noch sind nicht alle Bücher ausgepackt (Foto: Janine Schneider)

Aber woher kam die Idee für dieses Projekt? «Wir, die noch in den 70er und 80er-Bewegungen aktiv gewesen waren, hatten das Gefühl, etwas verpasst zu haben», erklärt Roland Herzog, der selbst zuerst in der 80er-Bewegung aktiv war und später als Gewerkschaftssekretär gearbeitet hat, «Zwar haben wir damals auch viel erreicht: Wir haben Räume erkämpft, die es so vorher nicht gegeben hatte. Aber wir haben es unterlassen, neue, intensivere sowie vor allem längerfristige Politisierungsprozesse anzustossen und das Wissen über unsere Bewegungen weiterzugeben.» Die Bibliothek soll also auch ein historisches Gedächtnis der sozialen Bewegungen in und um Bern werden. Bevor alle gestorben sind, die etwas darüber erzählen könnten. Gleichzeitig soll die Bibliothek aber auch ein Ort des Austausches und der Diskussion sein, an dem regelmässig Veranstaltungen stattfinden. Auch Arbeitsplätze könnten dann vor Ort genutzt werden.

Bald soll hier ein Ort des Austausches entstehen (Foto: Janine Schneider)

Noch steht das Projekt in den Anfängen. Ab Januar soll die Bibliothek jeweils an drei Tagen die Woche geöffnet sein. Bis am 15. Dezember läuft noch das Crowdfunding  auf der Raiffeisen-Seite «Lokalhelden». Bis jetzt sind 68 Prozent der Zielsetzung finanziert. «Nun kommt der Endspurt», meint Roland Herzog und schmunzelt, «Soll ich mich für das Foto auf den Sessel setzen?»