Eine Liftfrau schreibt Geschichte

von Rita Jost 17. März 2021

Vor einigen Monaten haben wir hier Frauen vorgestellt, die in Bern als erste in ein politisches Amt gewählt wurden, einen Chefposten bekleideten, einen Ehrendoktortitel erhielten. Die Serie ist abgeschlossen, aber – so mussten wir feststellen – sie war unvollständig. Eine Pionierin wurde vergessen: die erste Mattelift-Kondukteurin. Dies sei hiermit nachgeholt.

Der 1. August 2020 war in der 125-jährigen Geschichte des Mattelifts ein denkwürdiger Tag. Erstmals knipste eine Frau die Billette. Die pensionierte Bibliothekarin Maja Mores war vom Verwaltungsrat der AG Personenaufzug Matte-Plattform, kurz AMP, zum neuen Mitglied der neunköpfigen Liftboy-Crew gewählt worden. Damit war das «Senkeltram» wie die Berner den Aufzug von der Matte auf die Münsterplattform, liebevoll nennen, endgültig keine reine Männerdomäne mehr.

Ein cooler Job

Aber wie kommt eine Bibliothekarin dazu, Liftfrau zu werden. Maja Mores lacht schallend. Sie habe als Matte-Bewohnerin die Liftboys immer um ihren coolen Job beneidet, habe sie auch alle gekannt und immer ein paar Worte mit ihnen gewechselt. Als sie dann pensioniert war und bereits nach wenigen Monaten merkte, wie sehr ihr die täglichen Begegnungen mit ihrer Kundschaft fehlten, wagte sie den Schritt. Sie schrieb eine Blindbewerbung. «Ich hatte keine Ahnung, ob sie überhaupt Frauen nehmen, aber ich war wild entschlossen, diesen Job zu bekommen. Wenn es Probleme gegeben hätte, wäre ich glatt auf die Barrikade gestiegen», gibt sie schmunzelnd zu. Man merkt, sie meint es durchaus ernst.


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Aber der Verwaltungsrat war überhaupt nicht frauenfeindlich. In all den Jahren hatte es offenbar schlicht nie eine Frau gegeben, die sich um den Posten bemüht hatte. Jedenfalls: Maja Mores wurde umgehend eingestellt und konnte – sehr zur Freude ihrer Kollegen – am Nationalfeiertag 2020 ihren ersten Dienst antreten. Und dies auch zur Freude der Liftbenutzerinnen. «Viele haben mir gratuliert und gesagt: ‘endlich, eine Frau!’»

Seither steht sie rund sieben Mal pro Monat an der «Talstation» und lässt Menschen ein und aussteigen, knipst Billette und geniesst den Kontakt mit ihrer höchst angenehmen Kundschaft. «Ich staune immer wieder, wie freundlich alle Leute hier sind», sagt sie. Dauernd passiere es, dass jemand mit einem kleinen Geschenk vorbeikomme. Oder sie werde um einen Buchtipp gefragt. Denn die ehemalige Bibliothekarin vertreibt sich die Wartezeiten jeweils mit Lesen, was der Kundschaft nicht entgeht. Manchmal sei sie so vertieft in ihre Lektüre, dass sie regelrecht erschrecke, wenn jemand vor dem Kassenhäuschen stehe. Dieses gelbe Kassenhäuschen in der Matte ist übrigens neu. Die Betreiber haben es der Crew hingestellt, seit das Liftpersonal – wegen Corona – nicht mehr mit den Fahrgästen mitfahren darf.

Die Liftkabine ist übrigens die sauberste weit und breit. Die Fahrzeit ist kurz, und es ist Ehrensache, dass die Angestellten die Kabine nach jedem Einsatz reinigen. Nicht erst seit Corona.

Der Mattelift

Der Aufzug an der Südseite der Münsterplattform ist ein Unikum im Schweizer Transportwesen. Weil man für die Fahrt bezahlen muss (im 1. Betriebsjahr 10 Rappen, aktuell Fr. 1.40), ist der Lift ein öffentliches Transportmittel im Sinne des Eidgenössischen Personenbeförderungsgesetzes. Der Lift überwindet 31.5 Meter Höhendifferenz in 31 Sekunden. Für die 183 Holzstufen bräuchte es definitiv länger und der Aufstieg wäre einiges kräfteraubender. Transportiert werden täglich rund 800 Personen, die meisten von unten nach oben…

2021 wäre das 125Jahr-Jubiläum geplant gewesen. Dieses wurde wegen Corona verschoben, soll aber nachgeholt werden. Übrigens: Der Mattelift hat sogar eine eigene Homepage: mattelift.ch