Elf kulturelle Institutionen wirken im Kirchenfeld zwischen dem Brückenkopf und der Kirchenfeldstrasse. Sie bilden zusammen – vom Alpinen Museum bis zur Nationalbibliothek – das grösste zusammenhängende Kulturareal der Schweiz mit 65‘000 Quadratmetern, das jährlich eine halbe Million Besuchende anzieht. Nun verpflichten sich die Institutionen freiwillig, gemeinsam das «Museumsquartier Bern» zu gestalten, beginnend beim Brückenkopf der Kirchenfeldbrücke.
Das «Museumsquartier Bern» ist nach einer gestern vorgelegten Machbarkeitsstudie gekennzeichnet:
– durch einen Zugang vom Helvetiaplatz unter dem Historischen Museum (BHM) hindurch in ein Besucherzentrum;
– durch einen Park auf dem Areal zwischen der Helvetia- und der Bernastrasse;
– durch ein gemeinsames unterirdisches Depotzentrum sowie Werkstätten mit Zugang von der Bernastrasse, über das alle Museen unter Tag erreichbar sind. Darin wird es ein spezialisiertes Depot für Fotos und Filme geben;
– durch ein neu errichtetes Veranstaltungszentrum.
Am Anfang des Vorhabens stehen zwei konkrete Bedürfnisse des BHM. Das 1894 – damals als Konkurrenz zum Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich – erbaute BHM benötigt dringend Depoträume für seine Sammlung und braucht Instandsetzung und Modernisierung, die auch Menschen mit Behinderungen den heute komplizierten Zugang erleichtern und hindernisfreien Besuch der Ausstellungen ermöglichen. Kostenschätzung: Rund 100 Millionen Franken.
Vielfalt in der Einheit
Anstatt nun einfach deren Finanzierung ins Auge zu fassen, weiteten die Verantwortlichen den Perimeter aus, nahmen Kontakt auf mit Nachbarn und entdeckten Schritt für Schritt die Schätze der anderen Museen und das räumliche Potential des Gebietes. So entstand aus einem unmittelbaren Bedarf die langfristige Vision des «Museumsquartiers Bern». Motto: «Vielfalt in der Einheit». In der Mitte stehen Ideen und Inhalte, die aus den Sammlungen gespeist werden. Erziehungsdirektorin Christine Häsler erhofft sich einen «Campus-Effekt» wie bei Hochschulen.
Geholfen hat sicher, dass die Burgergemeinde Bern, zu einem Drittel Trägerin des BHM, alleinige Trägerin des Naturhistorischen Museums ist, des grössten anderen Museums im Kirchenfeld. Ebenso entscheidend war aber wohl auch, der Beizug des Wiener Museumsplaners Dieter Bogner. Dieser hat seit dem Museumsquartier Wien weltweit zahlreiche grosse Vorhaben begleitet. Er brachte auch in Bern Erfahrung, Inspiration sowie Sinn für Präzision und Verbindlichkeit ein.
Ein Sozialsystem
Für Bogner ist das Projekt «Museumsquartier Bern» nicht eine Ansammlung von Gebäuden; es ist ein Sozialsystem, in dem 250 Menschen in verschiedenen Einrichtungen arbeiten. Damit diese das übergeordnete Ganze realisieren können, braucht es Vernetzung. Vernetzung bedingt eine organisatorische Entwicklung mit der Idee, dass die einzelnen Institutionen ihre Autonomie möglichst weitgehend erhalten können – aber so viel Selbständigkeit wie nötig an das grössere Ganze abtreten. In der gemeinsamen Erklärung ist zu lesen: «Die gemeinsamen organisatorischen, räumlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Strukturen sind (…) so zu schaffen, dass das ‚Museumsquartier Bern‘ kooperatives Handeln ermöglicht und Mehrwert für die einzelnen Institutionen und das Gesamtsystem erbringt. Der Mehrwert (…) muss grösser sein als die Belastung und die allfällige Einschränkung der Autonomie der einzelnen Institutionen.»
Durch den Park entlang der Berna- und der Helvetiastrasse erhält das Untere Kirchenfeld neu ein Zentrum. Das ist abzustimmen auf die Neugestaltung des Helvetiaplatzes, die dieser Tage juriert wird. Nicht nur die Museumsbesucherinnen und –besucher werden den Park beleben, sondern – so Bogner – alle Menschen aus dem Quartier, die ihn regelmässig nutzen. Mit dem Museumsquartier erhält Bern, so Bogner, «einen Kulturraum internationaler Grössenordnung und das Quartier Kirchenfeld ein heute schmerzlich fehlendes urbanes Zentrum für Freizeit und Erholung. Die Machbarkeitsstudie zeigt in drei städtebaulichen Varianten die planerisch-baulichen Möglichkeiten auf.
Vorleistungen des BHM
Das Historische Museum ist zu Vorleistungen bereit. Zum einen gibt es im Sous-Sol den Raum mit den Münsterfiguren auf zugunsten des Besucherzentrums und des Durchgangs zum Areal hinter dem Haus. Damit dieser optimal geführt werden kann, stellt es den Hunziker-Bau aus dem Beginn der 20. Jahrhunderts zur Diskussion, der den dem Mäzen Henri Moser Charlottenfels gewidmeten Saal beherbergt. Ja, es befürwortet dessen Ersatz durch einen leicht grösseren Neubau. Darüber wird mit der Denkmalpflege zu reden sein. Wichtig im Moment ist die Offenheit gegenüber allen Varianten.
An der Medienkonferenz und beim Rundgang durch das Areal betonten die kantonale Erziehungsdirektorin Christine Häsler, Stadtpräsident Alec v. Graffenried, Burgergemeindepräsident Bernhard Ludwig ebenso wie die Präsidenten des Historischen Museums (Luc Mentha) und der Museums für Kommunikation (Werner Nuber) die «Chance für einen einzigartigen kommunikativen und interaktiven Treffpunkt der Bundesstadt, des Quartiers und der Kulturbesucherinnen» (Nuber). Die Erziehungsdirektorin betont die Bedeutung für den Tourismus. Bei aller Beschwörung der Gemeinsamkeit ist es den Verantwortlichen wichtig, dass jedes Haus seine Einzigartigkeit und seine Spezialitäten behalten kann.
Zu den Kosten und zum weiteren Weg des Projekts äussert sich der Leiter der Steuergruppe, Christophe v. Werdt im Gespräch.