Journal B ist seit fast zehn Jahren im Internet abrufbar. Was unser Online-Magazin leistet und was es nicht leistet, kann daher von jeder und jedem täglich überprüft werden. Die «Hauptstadt» dagegen ist ein recht vages Projekt, bei dem heute noch niemand wissen kann, wie es in der Realität aussehen wird. Ein fertiges Produkt mit einer Ideenskizze zu vergleichen, ist schwierig. Wir versuchen es trotzdem.
Wer berichtet worüber?
Journal B sagt, was Bern bewegt. Das ist seit dem Start im Jahre 2012 unser Motto. Wir interessieren uns für das Leben in der Stadt Bern, für die städtische Politik, für die lokale Kultur. Das sind auch unsere drei hauptsächlichen Rubriken. Zu diesen lokalen Themen gehören auch Institutionen wie die Heitere Fahne oder die Villa Morillon, obwohl sie beide auf dem Boden der Gemeinde Köniz stehen. Unser Verständnis von Stadt orientiert sich nicht an politischen Gemeindegrenzen, sondern am gesamten gesellschaftlichen Geschehen, soweit es für die Stadt Bern relevant ist.
Die «Hauptstadt» hat laut Ankündigungstext den Anspruch, den Grossraum Bern abzudecken, also Bern und die angrenzenden Agglomerationsgemeinden. Sie will aber keinen Vollservice liefern, sondern «den traditionellerweise von den Tamedia-Titeln praktizierten Lokaljournalismus» weiterdenken und weiterentwickeln. Die Praxis wird zeigen müssen, wie das zu verstehen ist.
Eine Bemerkung drängt sich auf: In der gesamten Kampagne des «Hauptstadt»-Teams wird die Tatsache, dass es in Bern seit fast zehn Jahren bereits ein Online-Magazin gibt, konsequent verschwiegen. Wir hoffen, dass unter der «Weiterentwicklung des Lokaljournalismus» etwas anderes verstanden wird als solches Totschweigen.
Wie werden die beiden Magazine finanziert?
Journal B hat zurzeit ein Jahresbudget von 120’000 Franken. Es finanziert sich zur Hälfte durch Mitgliederbeiträge von 150 Franken im Jahr und durch Spenden. Zusätzliche Beiträge leisten die Kulturstiftungen der Berner Kantonalbank und der Gebäudeversicherung Bern, die Burgergemeinde Bern, die Evangelisch-reformierte Gesamtkirchgemeinde Bern und die Römisch-katholische Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung.
Die «Hauptstadt» rechnet laut Ankündigungstext mit einem Budget von 480’000 Franken. Dieses soll mittelfristig durch 4’000 Mitgliederbeiträge von je 120 Franken gedeckt werden. Bis dahin sollen Stiftungen eine Anschubfinanzierung in der Höhe von einer Million Franken für die ersten drei Geschäftsjahre beitragen. Davon ist offenbar ein Teil bereits zugesichert.
Sind die Beiträge frei zugänglich?
Auf Journal B können alle Beiträge im Netz frei eingesehen und auch kopiert oder weitergeleitet werden. Es ist unser Ziel, dass der Austausch von Information nicht durch Bezahlschranken behindert wird. Auch unser wöchentlicher Newsletter kostet nichts. Er wird an alle Mitglieder versandt und an sonstige Interessentinnen und Interessenten, die ihn erhalten möchten. Wir setzen auf die Gewissheit, dass genügend Personen, die dazu in der Lage sind und die sich für vielfältige Medien einsetzen möchten, bereit sind, durch freiwillige Beiträge den Bestand des Online-Magazins zu ermöglichen. Als Dank veranstalten wir Anlässe, die für Mitglieder reserviert sind, so zuletzt z.B. eine Führung durch die Villa Morillon, eine Besichtigung der Münster-Baustelle inklusive Orgelkonzert oder einen Probenbesuch bei der Camerata Bern.
Die «Hauptstadt» wird laut Ankündigungstext «eine sanfte Paywall» haben. Nur die Inhalte, die über die sozialen Medien oder den Newsletter verbreitet werden, sind frei zugänglich. Die Inhalte der Online-Zeitung können nur nach Bezahlung eines Abonnementsbeitrags gelesen werden.
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Ist ein Online-Magazin eine Zeitung?
Journal B ist ein multimediales Magazin. Wir publizieren zwar viele Textbeiträge, stellen aber auch Filme und Radiosendungen zum Abruf bereit. So übernehmen wir Informationssendungen von Radio RaBe, und wir zeigen dank Zusammenarbeit mit «Bern für den Film» vierzehntäglich einen Film aus Berner Produktion. Für uns ist dieser Medienmix wichtig, denn er macht in unserem Verständnis das Wesen eines Onlinemediums aus.
Die «Hauptstadt» umschreibt ihr publizistisches Angebot im Ankündigungstext so: «Neben einem Newsletter, der den Leser*innen das Sortieren der lokalen Nachrichten erleichtert, sind Recherchen, Reportagen und Kolumnen die publizistischen Kernelemente.» Das klingt mehr nach Beschränkung auf journalistische Formen, also auf eine Art Zeitung im Internet. Daneben soll es aber auch Live-Übertragungen von Podiumsdiskussionen geben.
Wer arbeitet für die beiden Magazine?
Journal B hat zurzeit eine Redaktion, die sich aus bezahlten Journalist*innen und aus Freiwilligen zusammensetzt. Auch diese Freiwilligen verfügen zum grössten Teil über journalistische Berufserfahrung. Ausserdem ist Journal B mit andern Medienprodukten vernetzt. Wir übernehmen Beiträge aus der Berner Kulturagenda, von verschiedenen Quartierzeitungen, von Radio RaBe, vom Berner Landboten, von der Berner Studizytig und von andern mehr. Wir machen diese Inhalte dadurch unserer eigenen Leserschaft zugänglich. Gleichzeitig erreichen wir für unsere eigenen Produktionen durch die Überlassung an diese Medien ein zusätzliches Publikum.
Die «Hauptstadt» soll ausschliesslich von angestellten Journalist*innen gemacht werden. Als minimale Redaktionsgrösse nennt der Ankündigungstext vier Vollzeitstellen, die auf «mindestens sechs bis sieben Journalist*innen» aufgeteilt werden sollen. Ausserdem sollen 100 Stellenprozente für Geschäftsführung, IT, Marketing etc. reserviert bleiben. Bezahlt werden soll laut Aussagen des «Hauptstadt»-Teams ein monatlicher Einheitslohn von 7’000 Franken (was allerdings ein höheres Jahresbudget als die ebenfalls genannten 480’000 Franken voraussetzen würde).
Hat es Platz für zwei Online-Magazine auf dem Platz Bern?
10 Jahre erfolgreiche Präsenz von Journal B machen klar, dass ein Online-Magazin in der Stadt Bern nachgefragt wird und auch langfristig überlebensfähig ist, wenn die finanziellen Rahmenbedingungen respektiert werden. Der holprige Start mit einer fünfköpfigen angestellten Redaktion hat allerdings auch gezeigt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Eine Anschubfinanzierung, von der auch Journal B profitierte, verschafft zwar kurzfristig Luft, ist aber nicht nachhaltig. Entscheidend ist vielmehr der Aufbau einer verlässlichen Community. Diese ist bei Journal B noch immer klein, wächst aber glücklicherweise kontinuierlich an.
Es erscheint uns als realistisch, dass es daneben auch Platz für ein zweites oder auch ein drittes Online-Magazin von vergleichbarer Grösse hätte. Unter dem Gesichtspunkt der Medienvielfalt wäre es auch durchaus wünschbar. Es ist auch wahrscheinlich, dass mehrere Personen bereit sind, gleichzeitig mehr als ein Online-Magazin zu unterstützen. Das kostet ja auch zusammen immer noch deutlich weniger als ein Abonnement für «Bund» oder «BZ».
Wie stellt sich Journal B zur «Hauptstadt»?
Journal B ist zurzeit in der Situation eines Einzelkindes, das erfährt, dass seine Mutter schwanger ist. Es weiss, dass es sich um ein Mädchen handelt, aber es weiss nicht, wie diese kleine Schwester aussehen wird, was ihre Besonderheiten und Vorlieben sein werden, ob die Kinder miteinander spielen oder sich vorwiegend übereinander ärgern werden. Klar ist, dass Journal B seine bisherige Einzelstellung verlieren wird und sich an die neue Situation anpassen muss. Klar ist auch, dass das Neugeborene in einer ersten Zeit überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit erwecken wird. Deswegen ist der ältere Bruder aber nicht weniger wichtig. Er hat sich seinen Platz in der Familie bereits erarbeitet und ist schon recht selbständig. Und er hat der noch ungeborenen Schwester wesentliche Erfahrungen voraus.
Vorstand Trägerverein und Redaktion