Vielleicht erinnern Sie sich an das Jahr 2019, vielleicht auch nicht, das kann ich natürlich nicht wissen. Ich jedenfalls besinne mich sehr gut auf den Frühling dieses Jahres, in dem ich gemeinsam mit der Natur aufzublühen begann. Weltweit und auch in der Schweiz gewann die Klimabewegung an neuem Schwung und Relevanz, auch auf Gebieten, in denen dem Thema zuvor kaum Beachtung geschenkt worden war.
Hierzulande gab es monatliche Streiks, als Landei schnupperte ich zum ersten Mal die Progressivität der Stadt und fand Leute, die meine Wertvorstellungen und Ansichten teilten. An einer der ersten Demos konnte ich mich vernetzen und war so plötzlich von einer Demoteilnehmerin zu einer Demo-Organisatorin geworden.
Mein Körper war wieder das Zuhause von Empfindungen geworden, die ich lange nicht mehr gespürt hatte.
Unzählige Menschen, die bisher isoliert gegen die Klimakrise gekämpft hatten, wurden vereint und diese Kraft der Masse ergriff auch mich. Mein fünfzehnjähriges Ich schöpfte Hoffnung, in mir drin brannte ein Feuer, eine Wende schien mir möglich. Kurz: Mein Körper war wieder das Zuhause von Empfindungen geworden, die ich lange nicht mehr gespürt hatte.
Ich plante Demos und Kundgebungen, schrieb Medienmitteilungen, gab Interviews, nahm an Spontanaktionen teil. Ich verteilte Flyer auf der Strasse, nahm Videos für die Sozialen Medien auf, schrieb Texte und bereitete nächtelang irgendwelche Sitzungen vor.
Fünf Jahre später. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es den Klimastreik als solchen nun nicht mehr gibt, weil unsere Aufgabe nicht mehr nötig ist. «Die Politiker*innen nehmen sich den gesellschaftlichen Problemen endlich an und werden ihrem Amt gerecht. Wir (ehemaligen) Aktivist*innen können uns unserem eigenen Leben widmen.»
Konnte sich meine Euphorie erhalten? Nein.
Leider nein. Ich möchte nicht ein unnötig negatives Bild zeichnen. Als Klimabewegung konnten wir einiges erreichen (und werden auch noch weitere Erfolge verbuchen können) und ich bin dankbar für alles, was meine Mitaktivisti geleistet haben. Auch auf einer persönlichen Ebene konnte ich viel durch den Klimastreik lernen. Ich habe mir unzählige Kompetenzen angeeignet, die mir weder die Schule noch die Uni beigebracht hätten.
Aber trotz allem Engagement: Die Erde erhitzt sich in einem fort weiter und Bekämpfungsmassnahmen bleiben aus. Konnte sich meine Euphorie erhalten? Nein. Und dennoch habe ich dem Klimagerechtigkeitsaktivismus meinen Rücken nicht zugewandt, ich war und bin immer noch auf der Suche nach meiner Rolle, die zweifelsfrei nicht mehr die gleiche sein kann wie noch vor fünf Jahren.
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Insbesondere im Klimastreik Bern verzeichnen wir einen konstanten Zuwachs junger Aktivisti. Was ich vor fünf Jahren gefühlt hatte, fühlen nun andere. Sie sind es, die nun begeistert Kundgebungen vorbereiten, Workshops planen und Diskussionen führen, in der Hoffnung, wirksam zu sein.
Ich hingegen kenne viele der Ideen schon und musste auch die Erfahrung machen, dass sich jeweils weniger bewegte, als ich es mir ausgemalt hatte. Um das Feuer der anderen nicht zu ersticken, habe ich meine Rolle im Schaffen von Austauschräumen gefunden: nationale Treffen, Retraiten, Sommerlager. Ich will mit meiner Erfahrung nicht einfach abtauchen (zumal der Klimastreik auch Teil meiner Identität ist) und gleichzeitig will ich die neue aktivistische Generation nicht durch meine Resignation prägen.
Es ist nicht schwierig, aktiv zu werden, doch aktiv zu bleiben, ist Arbeit.
In der öffentlichen Wahrnehmung gab es den Klimastreik zur Blütezeit und den Klimastreik danach. Wir sind allerdings, auch wenn es für manche Leute so wirken mag, nie verschwunden und die wenigsten können sich wohl vorstellen, was intern alles geleistet wird; nämlich Arbeit, die von der Bevölkerung nicht gesehen wird: Auseinandersetzung mit Dekolonialisierung, Antirassismus oder Transformativer Gerechtigkeit, um nur ein, zwei Stichworte zu nennen.
Dieses Dilemma, aktiv sein zu wollen, ja zu müssen, und gleichzeitig mit einer unerschütterlichen Hoffnungslosigkeit konfrontiert zu sein, begleitet mich seit Längerem und wird sich auch nicht plötzlich in Luft auflösen. Mir ist es wichtig, auch solche Prozesse zu benennen, denn der lange Atem, den wir benötigen, kommt nicht von besonders kräftigen Lungen, nein, er kommt von tief verankerten Überzeugungen und der unendlichen Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Es ist nicht schwierig, aktiv zu werden, doch aktiv zu bleiben, ist Arbeit.