Ein Stadtfest, aber für wen?

von Janine Schneider 24. Juni 2022

Heute beginnt das dritte Bärner Stadtfescht. Im dreitägigen Programm vermisst unsere Autorin vor allem eines: die Stadt selbst.

Eine Veranstaltung, dessen OK eine schlechtere Frauenquote als der durchschnittliche Schweizer Rotaryclub aufweist, macht mich wohl schon prinzipiell stutzig. Noch dazu, wenn der einzigen Frau unter acht OK-Mitgliedern ein klassisch weiblicher Aufgabenbereich unterstellt ist: unbezahlte Freiwilligenarbeit.

Sarkasmus beiseite – abgesehen von der OK-Zusammensetzung gibt es aus feministischer Sicht wohl nicht allzu viel zu bemängeln: Ein beachtlicher Anteil weiblicher Acts, ein eigenes Awareness-Team und ein Logo, das die Vielfarbigkeit der Stadt betont. Kurz: Vielleicht wird das Bärner Stadtfescht ja besser, als es sich verkauft.

Bisher hielt sich die Vorfreude allerdings noch in Grenzen. Die Berner*innen selbst wussten lange nicht viel über das Fest, das bald für sie stattfinden würde. Ein Beispiel: Vor einer Woche sass ich bei Freund*innen auf der Terrasse und fragte in die Runde, ob sie ans Stadtfest gehen würden. Allgemeines Schulterzucken war die Antwort. Was es denn da gäbe, so die Rückfrage.

Vielleicht wird das Bärner Stadtfescht ja besser, als es sich verkauft.

Auch die mediale Aufmerksamkeit war bis zu dieser Woche gering. Im Vorfeld berichteten vor allem Telebärn, die Jungfrau Zeitung und Nau über das Grossereignis, das mehrmals wegen Corona verschoben werden musste. Nicht zuletzt dank der grossen Unterstützung der Partner sei es nun doch noch zustande gekommen, hiess es bei Nau, um im nächsten Satz anzufügen, dass Nau eben einer dieser Partner sei.

Inhaltsleer

Ohne Partner würde das Stadtfest wohl tatsächlich nicht stattfinden können. Anders als beim letzten Stadtfest, ist die Stadt Bern diesmal eine Partnerin unter vielen und nicht Mitorganisatorin. Damals, im Jahr 2016, fand das Fest in Bümpliz statt – die Ortswahl war ein Zeichen der Annäherung zwischen den ehemals unabhängigen Gemeinden.

Ich lebte damals noch nicht in Bern, aber der Gedanke gefällt mir: Ein Stadtfest nicht im Zentrum, sondern am Rand, dort, wo die Menschen leben. Das gefiel aber nicht allen. Und so findet das Stadtfest an diesem Wochenende wieder in der Innenstadt statt.

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«zfriede. zäme. feschte.» ist das diesjährige Motto. Sonderlich einfallsreich ist das nicht, doch das muss es auch nicht sein. Das Stadtfest ist kein Buskers und sicherlich keine Documenta. Der Anspruch ist simpel: Es soll ein Fest von Bern für Bern werden.

Seit mich die gedruckte Festivalbeilage vom mühsamen Scrollen im Online-Programm erlöst hat, weiss ich auch besser darüber Bescheid, was dieses «Fest von Bern für Bern» beinhalten wird. Ich weiss jetzt zum Beispiel, dass am Samstag von fünf bis acht Uhr die Mobiliar auf dem Münsterplatz anzutreffen ist, die dort unter anderem ein Malprogramm für Kinder anbietet. Nicht, dass ich dafür extra ans Stadtfest fahren würde, auch wenn ich Kinder hätte.

Natürlich: Post, Supermärkte und Banken gehören zu Bern. Wie sie zu jeder anderen Stadt gehören könnten.

Genauso wenig würde ich das für die politischen Parteien, die Post, die AareMigros oder die Banken Valiant und BEKB tun, die alle einen Stand am Stadtfest ergattert haben. Weshalb, ist mir unklar. Natürlich: Post, Supermärkte und Banken gehören zu Bern. Wie sie zu jeder anderen Stadt gehören könnten.

Ein x-beliebiges Fest

Je länger ich das Programm studiere, umso mehr frage ich mich, was dieses Stadtfest denn zu einem Berner Stadtfest macht. Ich vermisse das Kleine, das Lokale, das typisch Bernische. Ich vermisse die Vielfalt einer Stadt, die aus mehr als Curling und Bratwurst besteht. In der verschiedene Religionsgemeinschaften leben und Kultur nicht bei Bühnen Bern endet.

Eine der Bühnen am Berner Stadtfest, hier diejenige auf dem Waisenhausplatz (Foto: Janine Schneider).

Dabei muss ich fairnesshalber einige Ausnahmen erwähnen: So verspricht zum Beispiel das Programm um die Heiliggeistkirche unter dem Slogan «Stadt für alle» mehr Abwechslung und auch Institutionen wie das Bernische Historische Museum, das Berner Generationenhaus oder das Münster bringen mehr Bern ins Programm. Alles in allem aber, so drängt sich der Gedanke auf, könnte das Berner Stadtfest ebenso gut ein Zürcher, ein Langenthaler, ein Locarner Stadtfest sein.

Die Musik lohnt den Besuch

Zum Glück sind da noch die Konzerte. Das musikalische Programm bildet den eigentlichen Kern des Stadtfests und ist so dicht wie vielversprechend. Da ist ein Grossteil der Berner Musikszene anzutreffen, da gibt es Newcomer*innen und alte Hasen und da treten auch besonders viele weibliche Formationen auf. Von Freitag bis Samstag spielen auf verschiedenen kleinen und grossen Bühnen Acts jeglichen Genres, von klassischem Streichquartett über Hiphop, Schlager bis zu Balkansound hat es für alle etwas dabei. Die Konzertauswahl ist überzeugend und vielfältig und vor allem eben: nicht austauschbar.

Und so erreicht mich die Vorfreude aufs Stadtfest doch noch: Plötzlich melden sich Freund*innen und Mitbewohner*innen mit ihren Konzertplänen fürs Stadtfest, einige können sich gar nicht entscheiden, an welches der vielen Konzerte sie gehen wollen. So könnte das Stadtfest dank der Musik zu dem werden, was es von Anfang an versprochen hatte: ein Fest für Bern.