Zwei Tamilinnen stehen draussen und unterhalten sich angeregt. Sie haben ihre Kinder in den heimatkundlichen Sprachunterricht ins Zentrum5 gebracht. Immer am Mittwochnachmittag lernen tamilische Kinder hier ihre Muttersprache und Kultur besser kennen. «Man weiss heute, dass die Muttersprache eine grundlegende Basis zum Lernen von anderen Sprachen ist», sagt Bettina Kleiner-Weibel. Sie ist Co-Leiterin des Zentrums.
Das Zentrum5 ist aber in erster Linie ein Ort der Begegnung für Menschen aus den fünf Kontinenten. «Wobei Australien als fünfter Kontinent nur selten vertreten ist», sagt Kleiner-Weibel. Hier gibt es eine öffentliche Bibliothek mit Büchern in 31 Sprachen und Märchennachmittage zum Beispiel in der pakistanischen Sprache Urdu.
In der Bibliothek arbeiten Freiwillige. Etwa Ali Sait Bozkus und Lawlaw Taher. Beide sind rund zweimal in der Woche hier, leihen Bücher aus und erledigen allgemeine Bibliotheksarbeiten. Ein Schweizer Vater aus dem Quartier kommt mit seinen beiden Kindern. Eine junge Eritreerin schaut sich derweil die Bücher in Tigrinya an.
Schreibstube für Gesuche
Auch das Beratungsangebot des Zentrums 5 sei öffentlich und stehe allen Menschen offen, sagt Kleiner-Weibel. Während den Büroöffnungszeiten an drei Nachmittagen in der Woche könne hereinspazieren, wer wolle. Aber natürlich werde es vor allem von Migranten und Migrantinnen genutzt. Tatsächlich sitzen schon am frühen Mittwochnachmittag zwei junge Frauen an den einladenden Tischchen im Entree. Sie warten auf eine Beratung in der Schreibstube. Denn sie möchten einen Deutschkurs besuchen. Aber das Geld dazu fehlt ihnen. Während sie warten, unterhalten sie sich mit einem Marokkaner. Er sei zum ersten Mal hier und erhoffe sich Hilfe, sagt er.
Das Zentrum5 könne zwar nicht für alles eine fundierte Beratung bieten, doch sei es eine erste Anlaufstelle. Oft würden Ratsuchende an die geeignete Stelle weiter vermittelt, sagt Bettina Kleiner-Weibel. In der sogenannten Schreibstube hilft die soziokulturelle Animatorin Miriam Schwarz Finanzierungsgesuche an Stiftungen zu schreiben, etwa wenn jemand für den Zahnarzt Geld braucht, aber nicht hat.
Lesungen und Kleidertauschbörse
An der grossen dunkelblauen Pinwand hängen Flyer mit interkulturellen Angeboten: Zum Beispiel wird ein Schwimmkurs für Frauen angepriesen. Oder ein Geburtsvorbereitungskurs für Migrantinnen in verschiedenen Sprachen.
Das Zentrum5 organisiert aber auch selbst kulturelle Veranstaltungen, die Integrationsbemühungen unterstützen. Eine bunte Agenda spricht Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und Interesse an. So liest der Bergsteiger Emil Zopfi ebenso aus seinem neuen Buch wie der Migrant Shefik Sadiku. Schüler und Schülerinnen können einen Postenlauf zum Thema Migration machen, und am «Tauschrausch» können Frauen Kleider tauschen.
Schliesslich vermietet das Zentrum5 seine Räume für private Feiern oder für Kursanbieter. «Vieles hier läuft selbstorganisiert» sagt Kleiner-Weibel. Bis zu hundert Personen hätten einen Schlüssel des Zentrums und könnten ein- und ausgehen. «Die letzten müssen einfach um 23 Uhr das Licht löschen», sagt sie. Dabei sei aber wichtig, dass das Zentrum sowohl konfessionell wie politisch neutral sei. Wenn jemand versuche zu missionieren oder die Räume für politische Veranstaltungen verwende, werde er weggewiesen. «Wir wollen diese Konflikte nicht bei uns haben», sagt sie.
Von der Kirche getragen
Das Zentrum5 wurde 1985 als soziokulturelles Angebot der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Region Bern (AKiB) gegründet. Die Initiative dazu kam jedoch von privater Seite. Christine Brassel und Roland Aeschlimann erkannten zusammen mit einer Gruppe von anderen im Asylbereich Tätigen das Bedürfnis von Asylsuchenden nach einem geeigneten Treffpunkt. Gemeinsam entwickelten sie das Konzept für einen solchen Ort und wandten sich an die AKiB um Unterstützung. Noch heute finanziert die AKiB die Miete und die Löhne des Teams. Sechs Personen sind im Zentrum5 angestellt. Mit Raumvermietungen und Dienstleistungen generiert das Zentrum Einnahmen, mit denen es Projekte und Veranstaltungen finanziert.
Es ist halb vier Uhr und der Unterricht für die tamilischen Kinder ist zu Ende. Drei Mädchen machen es sich im Vorraum gemütlich. Sie unterhalten sich in Berndeutsch und naschen mitgebrachtes Schleckzeug.