Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Krähen in der Stadt Bern mehr als verdoppelt. Stark betroffen ist insbesondere das Nordquartier: Im Jahr 2012 wurden alleine an der Winkelriedstrasse 75 Paare, an der Ostermundigenstrasse 43 Paare und an der Tellstrasse 21 Paare gezählt. Viele Krähen bedeuten: viel ohrenbetäubender Lärm ab morgens 5.05 Uhr, dreckige Trottoirs, die Verdrängung anderer Singvögel.
Der Ärger von uns Krähen-AnwohnerInnen stieg von Jahr zu Jahr – damit aber auch unser Organisationsgrad. Und: Die Stadtgärtnerei Bern zeigte sich dieses Jahr hilfsbereiter als sonst, nachdem es früher auch mal hiess: «Wir haben kein Budget.» Oder gar: «Die Krähen gehören dem Kanton.»
So hilft nun die Stadtgärtnerei (danke, Sabine Tschäppeler) seit Februar einzelnen protestierenden AnwohnerInnen-Gruppen mittels einem aus Deutschland importierten Uhu. Das Plastic-Vieh lässt sich wie ein Hampelmann ziehen und kann mit seinem künstlichen Geflatter die Krähen so stark irritieren, dass sie sich einen anderen Nistplatz, vorzugsweise ausserhalb der Wohnzone, suchen.
Armee ist gefordert
In meiner Krähengruppe an der Tellstrasse, entstanden aus der IG Wankdorf, scheint das mit wenigen Ausnahmen zu gelingen – dies auch dank einer zweiten Attrappe (Sondersetting!). Bei unserem regelmässigen Ziehen am gleichen Strick zeigte sich, dass sich die Uhu-Wirkung in einer Allee auf drei bis vier Bäume entfaltet, die dann krähenfrei bleiben.
Eine Erkenntnis, die nächstes Jahr auch anderen lärmgeplagten Stadtteilen zugute kommen dürfte. Denn die Stadt hat zehn Stück Plastic-Uhus angeschafft. Weitere Erkenntnis: Einzelne Krähen nisten jetzt bei der Kaserne Bern. Aber bei der Armee hat man ja Erfahrung mit Dissuasion, Fliegerabwehr (nur Bürozeit!) – und im Umgang mit unbeliebten Vögeln, siehe Gripen.
Der Baum an der Tellstrasse mit dem Plastic-Uhu wurde in den letzten Wochen zum Treffpunkt von Jung und Alt, nicht nur für regelmässiges Ziehen, sondern auch für den einschlägigen Erfahrungsaustausch und zwecks Kennenlernens dies- und jenseits der Tellstrasse. Das Ganze verbunden mit dem Austausch von Mailadresssen und Handynummern für die gegenseitige Krähenwarnung und das Ausfüllen eines Uhu/Krähen-Protokolls zuhanden der Stadtgärtnerei.
Kein Grounding in der Stadt
Im Kampf gegen die Krähen dürfte für einmal auch der Stadt/Land-Graben überwunden werden. Denn die Saatkrähen gehen (im Gegensatz zu den Rabenkrähen) in der Stadt nie zu Boden und veranstalten dafür ihr üppiges Catering auf den Feldern in der Agglo – zum Ärger der Bauern. Laut Wikipedia sind Saatkrähen Allesfresser, wobei die pflanzliche Nahrung aus Samen von Getreide, Nüssen und Beeren überwiegt. Sie durchstochern den Boden nach Insekten wie Würmern und Käfern, graben auch Mäusenester aus oder fressen Vogeleier, Echsen und Jungvögel.
Der Ärger der Bauern ist des Jägers Lust. Diese greifen schon mal zum Gewehr, denn die Krähe ist seit letztem Jahr nicht mehr geschützt. Und weil sie so schlau ist, gilt sie in Jägerskreisen als echte Herausforderung. In Bälde werden die Abschussbüchlein 2013 kantonal ausgewertet und dann wissen wir mehr über den Stand der Überpopulation der Krähen. Respektive über die Treffsicherheit der Heger und Pfleger.
«Im Falle eines Falles, klebt Uhu wirklich alles», hiess es früher mal in der Werbung. Auch wir an der Tellstrasse sind glücklich über den Uhu. Seit Jahren ist erstmals wieder Vogelgezwitscher zu hören, zum Beispiel von Amseln, die sich in den letzten Jahren verdrängen liessen. Und am Morgen wird man wieder vom eigenen Wecker geweckt.