Ein Museum setzt auf Secondhand

von Rita Jost 11. November 2022

Im Museum für Kommunikation öffnet am nächsten Samstag die bemerkenswerte Ausstellung Planetopia ihre Tore. Innovativ daran: Sie thematisiert nicht nur den Konsumirrsinn, sie bekämpft ihn auch hausintern.

90 Prozent des Ausstellungsmaterials in Planetopia ist wiederverwertet. Nicht rezykliert, wohlverstanden, sondern effektiv weiter- beziehungsweise wiederverwertet. Jacqueline Strauss, Direktorin des Museums für Kommunikation, sagt es so: «Es war keine einfache Ausstellung, wir haben die Bubble verlassen.» Das ganze Museumsteam habe sein Verhalten hinterfragt und geändert.

Als die Ausstellungsmacher*innen sich im Sommer 2020 hinter die Konzeption der Ausstellung «Planetopia – Raum für Weltwandel» machten, haben sie zunächst einmal ihr eigenes Verhalten unter die Lupe genommen. «Was können wir hausintern verbessern?», lautete die Frage.

Der Fokus liegt auf einem schweizweit wohl einmaligen Grad von Wiederverwertbarkeit und Abfallvermeidung.

Herausgekommen sind Vorgaben, die seither zur neuen Norm im Haus gehören, beispielsweise die allgemeine Weisung «Treppensteigen statt Liftfahren». Aber auch der Umzug des stromfressenden (und aufwändig klimatisierten) Depotraums unter dem Dach, der in den Keller umziehen musste.

Ein kritischer Blick fiel auch auf einige ausgestellte Exponate, die unhinterfragt gezeigt wurden. Etwa das Bild aus den Fünfzigerjahren, das im Vordergrund gross ein Postauto zeigt und dahinter den immensen Rhonegletscher, ohne die Situation dieses Landschaftswandels zu thematisieren.

Veränderungen backstage

Solche Fragen haben im Museum «backstage» zu einer Reihe von Verhaltensänderungen geführt, die nun in die Ausstellung einfliessen. Der Fokus von Planetopia liegt auf einem schweizweit wohl einmaligen Grad von Wiederverwertbarkeit und Abfallvermeidung.

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Symbolisch dafür etwa: die überdimensionierte, goldene Hand am Eingang, die einen silbernen Planeten hält. Die Hand aus bemaltem Styropor stand ursprünglich im Foyer des Stadttheaters. Die Ausstellungsmacher*innen haben sie dort abgeholt, ins Museum transportiert und im zweiten Stock platziert. Das war zeitraubend und mitnichten einfacher, als in der hauseigenen Werkstatt ein ähnliches Objekt herzustellen. «Es war eine logistische Herausforderung», sagt Ausstellungskurator Ueli Schenk, «aber wir haben den Aufwand jetzt auf unserem eigenen Tacho».

Weiterverwendung ist Programm und zieht sich durch die Schau. Sie wird zum Beispiel auch sichtbar in der Deckeninstallation mit gebrauchten Turnschuhen von Gymnasiast*innen aus dem nahen Kirchenfeldgymnasium. Diese werden nach Ausstellungsende wieder den Besitzer*innen ausgehändigt, die sich hoffentlich den Dokfilm angesehen haben werden, der zeigt, wie viele fabrikneue Nike-Sneakers alljährlich geschreddert werden, nur weil die Mode es will.

«Kleine Schritte sind möglich» – diese Erkenntnis soll die Ausstellung vermitteln. Und: Es ist nicht peinlich, im Kleinen zu beginnen.

Karton statt Plastik

Wiederverwerten war auch bei den Schrifttafeln eine Herausforderung. Zeit, Mehrarbeit und Rückschläge mussten in Kauf genommen werden. Das merkten die Verantwortlichen für Planetopia beim Druck der umweltschonenden dicken Kartonwände. Diese sehen zwar gut aus, aber das Bedrucken war ein Problem. Einige sehen nun nicht ganz so perfekt aus, wie man sich dies gewohnt ist. Aber sie bringen dafür besser zum Ausdruck, was die plakativen Merksätze an den Wänden konkret meinen: «Alles, was nicht produziert wird, ist gut für die Umwelt».

Planetopia ist eine Ausstellung, die zum Nach- und Umdenken animieren will. Und sie will nachhaltig sein, ohne mit der Moralkeule daherzukommen. Auch wenn einige Zahlen (siehe Kasten) mehr als nachdenklich stimmen. «Wir müssen darüber reden», sagt Jacqueline Strauss, und deshalb sei Planetopia ein Kommunikationsthema par excellence. Die Ausstellung soll bei Besuchenden etwas bewirken. Aber sie soll auch zeigen: Wir haben es in der Hand. Genau dafür steht die (zweitverwertete) goldene Hand am Eingang.