Ein Kämpfer gegen die «Hüslipest»

von Sophie Reinhardt 6. November 2012

Er gehört zu den radikalsten Gegnern der Zersiedelung der Schweiz: Benedikt Loderer. Um die Verbauung des Landes zu stoppen, fordert er den Verzicht auf subventionierte Verkehrsmittel.

Ein Eigenheim im Grünen ist ein Traum vieler und dank unbeschränkter Mobilität heute möglich. Doch der steigende Raumbedarf und der zunehmende Verkehr, der daraus folgt, fordern ihren Tribut. Etwa die Zersiedelung der Landschaft oder die hohe Belastung von Infrastruktur und Umwelt. Doch die Zersiedelung ist ein profitables Geschäft und daher schwer einzudämmen.

Das weiss auch Benedikt Loderer, ehemaliger Chefredakteur des Architekturheftes «Hochparterre» und Buchautor. «Wenn aus fruchtbaren Äckern Bauland wird, profitieren davon die Gemeinde, Architekten, Maurer und der Gymnasiallehrer, der sich ein ruhiges Leben im Grünen mit der Familie wünscht», stellt er am Politforum zum Thema «Zerstören unsere Lebensträume unsere Lebensräume?» im Kaffee Wartsaal fest. Dass der Lehrer nun 30 Kilometer zur Arbeit pendle, sei für diesen unproblematisch. Denn reisen mit Auto und ÖV seien dank staatlichen Geldern günstig.

Deswegen prangert Loderer den Staat an. Dieser fördere mit subventionierten Billettpreisen die Zersiedelung, erklärte er. Man müsse aufhören, den öffentlichen Verkehr zu subventionieren, denn dann würde Mobilität doppelt so teuer und unattraktiv. Diese «Hüslimenschen», wie er jene Eigenheimbesitzer nennt, würden Natur konsumieren, aber nicht den angemessenen Preis dafür bezahlen. «Das Recht auf Konsum führt zur Zersiedelung», glaubt der pensionierte Architekt. Loderer fordert aus diesem Grund provokativ: «Nehmt den Leuten das Auto weg. Damit stoppt man die Verbauung der Natur.»

Einfamilienhaus als Schandfleck

Die «Hüslipest» sei Schuld ist an der Zersiedelung der Schweiz. Es gehe nicht nur um das Grundstück, auf dem das Häuschen steht, sondern auch um die Infrastruktur, die es benötigt – die Strassen, das nahe Einkaufszentrum und die Busverbindung. Man müsse den Kantonen die Raumplanung entziehen und sie dem Bund unterstellen. Somit könne dieser verdichtetes Bauen in bereits bebauten Gebieten fördern und fordern, und profitorientiertes Denken der einzelnen Gemeinden eindämmen.

«Was jetzt überbaut ist bleibt; alles andere darf nicht mehr überbaut werden»

Benedikt Loderer, ehemaliger Chefredakteur des Architekturheftes «Hochparterre»

«Was jetzt überbaut ist bleibt; alles andere darf nicht mehr überbaut werden», verlangt der ehemalige Architekturkritiker des «Tagesanzeigers». Als gutes Beispiel nennt Loderer die Berner Siedlung Schönberg Ost. Dort werde verdichtet gebaut, und dank der Lage bräuchten die Bewohner eigentlich kein Auto. Statt neue Agglomerationen zu schaffen, solle man bestehende verdichten, dazu hätten in Bern etwa Ostermundigen und Schönbühl Potenzial.

Politiker als mutlos gerügt

Kritik übte Loderer bei seinem Referat im Kaffee Wartsaal in der Lorraine an vielen und vielem: Die Politiker – auch die Sozialdemokraten – hätten zu wenig Mut, die Sache richtig anzupacken: «Wenn die SP Mittelstand für alle will, befürworte sie damit auch ‚Einfamilienhüsli‘ für alle», meinte Loderer. Aber auch seine Berufskollegen kritisiert er: «Architekten prostituieren sich für ‚Hüslimenschen‘ und die Verwaltungen unternehmen nichts gegen die Verschandelung der Natur.»

Loderers provokante Forderungen schienen an diesem Abend nicht alle SP-Mitglieder der Sektionen SP Bern-Nord und SP Altstadt-Kirchenfeld, die zum Politforum eingeladen hatte, überzeugt zu haben. Vor allem, weil man mit dieser Meinung wohl nur schwer wählbar ist, und die Ideen nicht wirklich sozialverträglich sind. Und so blieb Loderers Utopie vor allem eine Provokation, die zum Denken anregte.