Es regnet leicht, als ich an einem Freitagmorgen unter der Autobahnbrücke am Europaplatz entlangfahre. Zwischen Betonsäulen und Parkplätzen steht ein Holzhaus, auf der Fassade erkenne ich die Aufschrift «Die Villa Sabberlatz».
Hier betreut Lara von Aesch täglich bis zu 35 Hunde. Das Haus verfügt über ein Büro und drei getrennte Gehege, in denen die Hunde in kleinen Gruppen zusammenleben. Als ich mein Velo abstelle, kommt mir Lara entgegen – in jeder Hand mehrere Leinen. Fünf Hunde begleiten sie: ein energiegeladener junger Ridgeback, ein ruhiger älterer Beagle, ein grauer Lagotto, ein Mischling mit wachsamen Augen und der eigene Hund von Lara Yoko, ein Shiba Inu, ist auch dabei Wir laufen über die Brücke und durch die Unterführung nach Bümpliz und dann in den Könizbergwald. Dort lässt Lara drei der fünf Hunde von der Leine.
Lara mit ihrer Hunde-Gruppe vor dem Hort (Foto: David Fürst).
Vom Praktikum zur eigenen Hundekita
Während die Hunde im Laub schnüffeln und spielen, erzählt Lara von ihrem Werdegang. «Ich wusste immer, dass ich mit Tieren arbeiten wollte», sagt die 33-Jährige. Hunde hätten schon in ihrer Kindheit eine wichtige Rolle gespielt, doch sie begann ihre berufliche Laufbahn als Dentalassistentin. «Das war nicht mein Ding, aber ich habe die Ausbildung abgeschlossen.» Nach einigen Jahren in verschiedenen Berufen und einer Weltreise arbeitete sie schliesslich in einem Tierheim. «Da wusste ich: Das ist es.» Also absolvierte sie eine zweite Lehre als Tierpflegerin. Nach ihrem Abschluss machte sie sich selbstständig. «Ich wollte es auf meine Weise machen.» Anfangs plante sie maximal 15 Hunde im Hort aufzunehmen, doch schnell wurde klar: Die Nachfrage ist riesig. Heute betreuen sie und ihr Team bis zu 30 Hunde. Ein voller Tag Hundebetreuung kostet 47.50 Franken und ein halber 27.50 Franken.
Man muss die Körpersprache der Hunde lesen können. Jeder Tag bringt neue Erkenntnisse.
2020 eröffnete sie einen zweiten Standort in Lyss, wo die Hunde Zugang zur Aare haben – ein Highlight für viele Vierbeiner.
«Zuerst wollte ich ein Tierheim eröffnen und suchte bereits nach einem Standort. Dass es Hundehorte nur für den Tag gibt, kannte ich damals gar nicht. Am Ende entschied ich mich aber für einen Hundehort: geringere Kosten, weniger Risiko, keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung – und vor allem habe ich am Wochenende frei!» erklärt Lara.
Yoko auf seinem Hundebett (Foto: David Fürst).
Lara musste sich viel Wissen selbst aneignen, da es keine Ausbildung für einen Hundehort gibt.
«Ich musste viel selbst ausprobieren, lernen und auch mal Rückschläge hinnehmen. Die Theorie in der Schule war hilfreich, aber die Praxis ist etwas ganz anderes.»
Warum ein Hundehort?
Viele Menschen wünschen sich einen Hund, können ihn aber nicht mit zur Arbeit nehmen. Im Hundehort bekommt der Hund Betreuung und Sozialisation mit Artgenossen. Es gibt immer wieder Kritik, dass man sich keinen Hund anschaffen sollte, wenn man nicht rund um die Uhr für ihn da sein kann. Lara hält dagegen: «Hunde gehören zur Familie und sollten gut betreut werden.»
Ihre Kund*innen seien vielfältig: junge Paare, Familien mit Kindern – alle mit dem gleichen Ziel: Ihr Hund soll gut versorgt sein. Einzige Ausnahme: Eingefleischte Hundefreaks gehörten nicht zu ihren Kund*innen.
Im Wald fühlen sich die Hunde besonders wohl (Foto: David Fürst).
Der Wald als Begegnungsort
Lara bleibt stehen und ruft einen Hund zu sich, als eine Kita-Gruppe in gelben Leuchtwesten um die Ecke kommt. Sie kennt jeden ihrer Hunde genau – ihre Eigenheiten und Bedürfnisse. Einige Kinder freuen sich, andere sind zurückhaltend. Lara organisiert regelmässig Begegnungen mit Kitas, um Kindern den Umgang mit Hunden näherzubringen. «Der Wald gehört allen. Es braucht Rücksichtnahme», sagt sie.
Alles in Bewegung (Foto: David Fürst).
Nicht jeder Hund ist geeignet
«Wir haben eine Warteliste», sagt Lara. «Aber es muss für alle passen – für uns, die Hunde und die Besitzer*innen.» Nicht jeder Hund eigne sich für den Hort. Die Hunde müssten grundlegende Kommandos beherrschen und sich in die Gruppe einfügen können, erklärt Lara.
Der Wald gehört allen. Es braucht Rücksichtnahme
Ehrlichkeit sei ihr besonders wichtig. «Ich sage den Besitzer*innen offen, wie es ihren Hunden geht – auch wenn es mal nicht gut läuft oder ein Hund nichts frisst.» Manche Hunde bräuchten Zeit, um sich einzugewöhnen, andere harmonierten in bestimmten Gruppen nicht.
Auch ihr Team liege ihr am Herzen: «Alle sollen sich hier wohlfühlen. Nur so entsteht ein gutes Klima für Hunde, Betreuer*innen und Kund*innen.»
Nach dem Waldspaziergang geht es zurück in den Hort (Foto: David Fürst).
Erfahrungen aus acht Jahren Hundehort
Lara erzählt, dass sie in den acht Jahren im Hort viel über Hunde gelernt habe. «Man kann heute nicht einfach nach Rassen gehen. Dies hat auch mit der grossen Nachfrage an Hunden während der Coronapandemie zu tun, dass Züchter*innen mehr auf Quantität als auf Qualität gezüchtet haben. Ein Labrador ist nicht mehr automatisch der klassische Familienhund. Man muss die Körpersprache der Hunde lesen können. Jeder Tag bringt neue Erkenntnisse.»
Lara bei ihrer Arbeit (Foto: David Fürst).
Besonders stolz ist sie darauf, wie ihr Unternehmen gewachsen ist. «Trotz Herausforderungen wie Corona sind wir geblieben und sogar gewachsen. Das ist das Wichtigste.»
Aber es gebe auch Herausforderungen, erzählt Lara: «Das Nervigste ist die Buchhaltung. Selbstständigkeit bedeutet viel Büroarbeit. Seit ich eine GmbH habe, ist es noch komplexer geworden.»
Ein Wunsch für die Zukunft
«Ich wünsche mir, dass alles so bleibt, wie es ist“, sagt Lara. «Die perfekte Anzahl an Hunden, tolle Kund*innen – genau so soll es bleiben.»
Zurück beim Holzhaus. Lara öffnet die Tür ihres Transporters. Die Hunde fahren am Nachmittag nach Lyss mit einer Mitarbeiterin aus dem Hundehort. Behutsam werden die Hunde in kleine Boxen gesetzt und verbringen den Nachmittag an der Aare in Lyss.