Ein Fenster, das Licht ins Haus lässt

von Basrie Sakiri-Murati 8. März 2024

Kolumne Basrie Sakiri-Murati lebt seit 35 Jahren in der Schweiz. In ihrem neusten Text macht sie sich Gedanken über ein Wort, das für sie lange Zeit ein Fremdwort war: Freiheit.

Freiheit bedeutet für mich Leben, das Recht, selbständig Entscheidungen zu treffen und die Möglichkeit, Pläne zu verwirklichen. Freiheit heisst selbstbestimmt leben und lieben dürfen. Freiheit ist Wert, Würde, physische Schönheit. Ohne Freiheit ist man gelähmt und gefangen.

1989 wurde ich als Terroristin verfolgt, weil ich mich für die Freiheit Kosovos einsetze. Während ich fliehen konnte, wurden andere verurteilt, ins Gefängnis geworfen, einige von Ihnen gar getötet. Seit 35 Jahren lebe ich nun hier in der Schweiz: in Freiheit. Ich geniesse es und habe doch nicht vergessen, wie es war, als ich – wie die meisten meiner Altersgenossinnen – kaum das Haus, den Garten verlassen durfte, ohne Erlaubnis meines Vaters. Und als ich wegen meiner politischen Aktivitäten später auch wirklich in Lebensgefahr war.

Durch meine Flucht in die Schweiz, habe ich meine persönliche Freiheit gewonnen. Aber meine Ideale und mein politisches Engagement gingen immer über das Persönliche hinaus. Ich liess mein Land, meine Familie und meine Freunde zurück, wo die Panzer und serbische Stiefel regierten, deshalb war meine Freiheit nicht vollständig. Ich konnte meine Freiheit hier in der Schweiz erst genießen, als mein Heimatland Kosovo von den serbischen Besatzern befreit wurde.

Egal wie schön und gross ein Haus ist, ohne Fenster ist es finster, wertlos, ein riesiges Grab.

Was ist Freiheit? Freiheit heisst sich frei bewegen dürfen, ohne Angst auf die Strasse zu gehen, unterwegs zu sein, nicht bedroht, attackiert oder gar ermordet zu werden. Jahrzehntelang waren Kosovo-Albaner und vor allem Kosovo-Albanerinnen nicht frei. Die serbische Polizei konnte uns jederzeit und grundlos verhaften.

Freiheit heisst für mich, frei reden, lesen, schreiben dürfen, meine Gedanken aufs Papier bringen, ohne Angst, deshalb inhaftiert zu werden. All das habe ich fast zwei Jahrzehnte lang nicht tun dürfen. Die Regierung hatte alles unter Kontrolle.

Freiheit ist ein Fenster, das Licht ins Haus lässt. Unser Kopf braucht dieses Licht. Egal wie schön und gross ein Haus ist, ohne Fenster ist es finster, wertlos, ein riesiges Grab.

Freiheit heisst reisen dürfen, Neues lernen und arbeiten können.

Freiheit heisst seine Kleider selber aussuchen.

Anders bleiben zu dürfen – auch das ist ein wesentlicher Teil der Freiheit.

Freiheit heisst für mich heute auch, gesund zu sein, mit eigenen Lungen atmen, mit eigenen Beinen laufen, mit eigenen Ohren hören, mit eigenen Augen sehen können. Freiheit heisst ohne Sucht zu leben. Freiheit heisst, das Recht haben, Fehler zu machen.

Freiheit ist ein Zuhause, wo man sich sicher und wohl fühlt. Zuhause fühlt man sich, wenn man die Wärme einer Stube durchs Herz spürt. Und wenn man sich selber sein kann. Auch in einer neuen Heimat. An einem neuen Ort zuhause zu sein, heisst, fähig sein, die fremde Kultur und die andere Mentalität annehmen können, aber auch die eigene pflegen dürfen. Anders bleiben zu dürfen – auch das ist ein wesentlicher Teil der Freiheit.

Freiheit ist eine menschliche Sehnsucht – und Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit. Freiheit ist kostbar und viele Menschen geben alles dafür. Sie kämpfen jahrzehntelang und opfern ihr Leben dafür.