Ein Berner Dorf im frühen 20. Jahrhundert

von Christoph Reichenau 30. März 2017

Das eben erschienene Buch zum Gondiswiler Dorffotografen Johannes Schär (1855–1938) lässt einen eintauchen in die bäuerliche Welt vor hundert Jahren. Zu entdecken sind eine Persönlichkeit und ihr Werk.

Gondiswil. Ein Dorf im Oberaargau an der Grenze zum Emmental und zum Luzernischen. Eines wie viele und doch eines wie nur ganz wenige.

Das Wenige verdankt Gondiswil einem besonderen Kapitel seiner Wirtschaftsgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts – dem Abbau von Braunkohle – und einem Mann, der dies und die bäuerliche Welt fotografisch festhielt.

Der Fotograf, Johann Schär, lebte von 1855 bis 1938. Er war Bannwart im Schmidwald, als Genossenschaftssekretär der Käserei an der aufblühenden Milchwirtschaft beteiligt, aktiv im «Verein junger Männer» mit evangelikalem Hintergrund, Mitbegründer und später Dirigent des heute noch bestehenden Posaunenchors.

Um 1900 brachte er sich das Fotografieren mit deutscher Kamera, Glasnegativen, Fotopapier und Chemikalien weitgehend selber bei und nannte sich 1910 im Adressverzeichnis «Photograph». Johann Schärs fotografischer Nachlass, 3700 Glasnegative und viele Abzüge, ist heute aufgearbeitet im Staatsarchiv deponiert. Er umfasst Personenaufnahmen, Waldbilder, Fotos vom Kohleabbau, von ländlichen Festen und Begebenheiten, ein Panoptikum der bäuerlich-dörflichen Welt vor hundert Jahren.

Eine schöne Auswahl von Schärs Fotografien kann noch bis am 9. April in der Ausstellung «Chäs u Chole» im Kunsthaus Langenthal betrachtet werden. Der Berner Fotohistoriker Markus Schürpf hat sie im Wesentlichen kuratiert. Soeben ist von ihm nun eine Monographie zu Schärs Leben und Werk erschienen. Der attraktive Band schlägt einen in seinen Bann: Er erzählt einfühlsam und lebendig Johann Schärs Geschichte und bietet eine reiche Auswahl an teilweise überraschend modern anmutenden Fotos.