Ein Anfang ist gemacht

von Christoph Reichenau 21. September 2023

Darstellende Künste Drei Tage hat die Veranstaltung «M2ACT x BURNING ISSUES» gedauert. Herausgekommen sind erste Ziele und Forderungen. Vieles bleibt allerdings noch offen.

Am letzten Wochenende wollten die drei Institutionen Schlachthaus Theater, Bühnen Bern und Dampfzentrale die «brennenden Themen aus den darstellenden Künsten» angehen (Journal B berichtete). 400 Kulturschaffende aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und Italien reisten dazu nach Bern. Ausserdem vereinzelte Verantwortliche für Kulturförderung und einige Politiker*innen.

Sie lernten sich kennen, hörten Referaten zu, tauschten Erfahrungen aus und diskutierten. Wichtige Stichworte waren gerechte Arbeitsbedingungen, Teilhabe und Zugänglichkeit des Kulturbetriebs, die «strukturelle Erschöpfung» und auch Fürsorge und Gerechtigkeit im Kulturbetrieb. Carine Bachmann, Direktorin des Bundesamts für Kultur, unterlegte den Anlass mit statistischen Angaben und konstatierte dabei, der Gender Pay Gap sei in der Kultur noch grösser als in den anderen Berufsfeldern.

Die Resultate

Einigkeit bestand darin, es gelte vom Reden ins Handeln zu kommen. Heraus kam ein von zwei Dutzend Teilnehmenden formuliertes Papier mit Zielen und Forderungen. Angestrebt werden unter anderem:

–  ein transparentes Lohnsystem und eine angemessene Bezahlung für alle;

–  Entscheidungs- und Schlüsselpositionen müssten entsprechend der Zusammensetzung der Bevölkerung besetzt werden;

–  Familie und Beruf müssten vereinbar werden;

–  sicherere Räume und besserer Schutz vor Machtmissbrauch, sexualisierten Übergriffen und jeder Form von Diskriminierung;

–  neue Arbeitsmodelle, die Care-Arbeit für andere und sich selbst ermöglichen.

Mit Blick auf «alle Menschen, die Kunst und Kultur produzieren und rezipieren», wurden schliesslich auch «Gleichstellung und Chancengleichheit, Mitbestimmung und selbstbestimmte Teilgabe und Teilhabe» gefordert.

Bei diesem Postulat ist noch manches offen: Was ist Teilgabe? Wie weit geht Teilhabe? Besteht zwischen Produktion und Rezeption nicht ein klarer Unterschied? Wer soll also mit wem gleichgestellt werden und gleiche Chancen erhalten? Und wer soll dafür die Verantwortung übernehmen?

Auch der Unterschied zwischen Arbeitsbedingungen an etablierten Häusern und in der Freien Szene scheint kein Thema gewesen zu sein. Haben sich die beiden Szenen weitgehend angenähert? Oder ging und geht es in erster Linie um feste Institutionen? Vieles bleibt offen.

Eine neue Grassroot-Bewegung?

Aber ein Anfang scheint gemacht. Einzelne Organisationen und Verbände kümmern sich jetzt um bestimmte Themen: um angemessene Gagen, um Care-Arbeit usw. Die Johnson-Stiftung mit Sitz in Bern ist offen für die Unterstützung neuer Teilhabe-Projekte. Der Verband t.Theaterschaffen Schweiz bildet neu ein Kompetenzzentrum.

Im Mai 2024 findet dann in Berlin die nächste Konferenz von «Burning Issues» statt. Es wird die sechste Ausgabe sein. «Burning Issues» ist, so deklarieren sie sich selbst, die deutsche Grassroot-Bewegung für (Gender-)Gerechtigkeit und Diversität in den Darstellenden Künsten. Es wäre toll, wenn die in Bern unternommenen Schritte an vielen Orten Früchte tragen.