Politik - Meinung

Die SP als grosse Gewinnerin

von Willi Egloff 23. Oktober 2023

Nationale Wahlen Zahlenmässig hat sich nicht viel verändert. Die SVP gewinnt einen Nationalratssitz auf Kosten der FdP. Die SP gewinnt einen Sitz auf Kosten der Grünen. Ein genauerer Blick auf die Zahlen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, zeigt einmal mehr, wie stark Listenverbindungen die Sitzverteilung beeinflussen.

Erhebliche Stimmenanteile gewonnen hat nur die Sozialdemokratische Partei (SP). Sie steigerte sich von 16,8 % im Jahre 2019 auf nun 20,7 %. Die zweite Gewinnerin der Wahl, die Schweizerische Volkspartei SVP, liegt mit 30,9 % nur gerade 0,9 % über ihrem Ergebnis von 2019.

Dass die SVP einen Sitz gewonnen hat, liegt vor allem an ihrer Listenverbindung mit der FdP. Deren Wähleranteil von 8,4 % vor vier Jahren sank auf nunmehr 7,5 %. Zusammen erzielten die beiden Parteien also exakt den gleichen Stimmenanteil wie 2019. Weil sich Listenverbindungen immer zugunsten der grossen Parteien innerhalb derselben Parteiengruppe auswirken, kostete die geringe Verschiebung von 0,9 % die FdP einen ihrer beiden Sitze. Journal B hatte schon in einem Kommentar vom 6. Oktober 2023 auf dieses Risiko hingewiesen (Vielfalt oder Alibi).

Im Ergebnis entfällt nun auf jeden Nationalrat und jede Nationalrätin der SVP ein Stimmenanteil von genau 3,86 %. Demgegenüber vertritt der verbleibende FdP-Mann Christian Wasserfallen in Zukunft immerhin 7,5 % der Stimmberechtigten.

Pech für die SP-Männer

Eine ähnliche Erfahrung mussten auch die Kandidaten auf der Liste «SP Männer und Queers, JUSO und Gewerkschaften» machen. Zunächst kompensierten die Gewinne der SP die Verluste der Grünen und bewirkten, dass dieser Listenverbindung wie bisher 8 Sitze zugewiesen wurden. Neu entfielen davon aber 5 statt wie bisher 4 auf die SP-Listen. Zu diesem Ergebnis hatte die SP-Frauenliste 13,5 % Stimmenanteile beigetragen, die SP-Männerliste 6,2 %. Die arithmetische Methode der Sitzverteilung bewirkte aber auch hier eine nachgerade absurde Bevorzugung der Liste mit der grösseren Stimmenzahl: Die 13,5 % der Frauenliste führten zu 4 Sitzen, die 6,2 % der Männerliste zu einem einzigen. Ein 2,2-mal grösserer Stimmenanteil erlaubt also 4-mal mehr Sitze.

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Mehr Glück hatten da die Kandidierenden der Mitte. Zwar verloren auch sie gegenüber den Wahlen von 2019, als sie noch getrennt als BDP und CVP kandidiert hatten, massiv Stimmen, nämlich 1,8 %. Die verbleibenden 8,1 % reichten aber trotzdem noch zur Verteidigung der bisherigen 2 Sitze, da die Partei eine Listenverbindung mit der nur wenig grösseren Grünliberalen Partei GLP eingegangen war. Deren 10,5 % Stimmenanteil reichten ebenso zur Verteidigung der bisherigen 3 Mandate.

Wiederum von Listenverbindungen profitiert hat die rechtsbürgerliche EDU. Zwar verbesserte sie sich gegenüber den Wahlen von 2019 von damals 2,5 % auf nunmehr 3,9 %, doch hätte auch dieses Ergebnis nicht für einen Sitz gereicht. Die fehlenden Prozentpunkte holte sie sich bei den diversen Kleinstparteien, die sich aus welchen Gründen auch immer mit ihr verbunden hatten.

Klarer Ausgang der Ständeratswahl

Ein überraschend klares Resultat ergab die Wahl zu den beiden Ständeratssitzen. Die erstmals kandidierende SP-Vertreterin Flavia Wasserfallen überholte dank einem exzellenten Ergebnis in der Agglomeration Bern sogar den bisherigen SVP-Ständerat Werner Salzmann. Sie vervollständigte damit das gute Abschneiden der SP im Kanton Bern. Die beiden liegen mit einem so grossen Abstand vor den übrigen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern, dass ihr Sieg im zweiten Wahlgang eigentlich feststeht.

Sinnvoll wäre es daher wohl, auf diesen zweiten Wahlgang gleich zu verzichten und dem Kanton und den Gemeinden die damit verbundenen hohen Kosten zu ersparen. Dazu müssten allerdings die unterlegenen Kandidat*innen die Grösse haben, auf eine Teilnahme am zweiten Wahlgang zu verzichten, so dass eine stille Wahl möglich wäre.