Ds Läbe isch es sältsams Spiel

von Janine Schneider 24. April 2021

In seinem neuen Stück «Das Jubiläum» nimmt uns Timmermahn mit in die glitzernd bunten Absurditäten des Alterns.

«I wär nie drzue ko sone Rolle aaznee, wie ich sie im Läbe ha», klagt die ehemalige Filmschauspielerin Isabelle Arjani und überquert mit ihrer Gehhilfe mühselig die Bühne. Da werden keine schnellen Gänge angeschlagen, das ist von Anfang an klar in Timmermahns Stück «Das Jubiläum», das von Jonathan Loosli inszeniert wurde und derzeit in der Heiteren Fahne zur Aufführung kommt. Denn die vier ehemaligen Bühnen-und Filmgrössen auf der «station des anicens artistes residents» in der Seniorenresidenz Himmelssteig können nur noch von ihrer glamourösen Vergangenheit träumen. In der Gegenwart drehen sich ihre Welten um Bad, Gymnastik und Stuhlgang, kurz um die Banalitäten des Alterns. Höhepunkt ist der Apfel zum selbst Kauen, serviert vom Sunny Residenz Boy Walterli. Versuche, etwas Eigenständigkeit zu bewahren, werden von der Stationsaufseherin Obrist de Quervain strikt unterbunden. Immer wieder aber brechen die Heimbewohner*innen musikalisch aus dem Alltag aus. Die vergangenen Glanzlichter werden für kurze Zeit sichtbar, wenn Herr Fahrni die gesanglichen Einlagen von seinem mit Notenständer, Mikrofon und Keyboard ausgerüsteten Rollator aus dirigiert. Für einen kurzen Moment können die vier ausrangierten Bühnenkünstler sich «forever young» fühlen und ihre Sorgen vergessen.

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Das Stück nimmt an Fahrt auf, als ein Gewitter die Residenz erschüttert. Nun gilt es, zuerst die Rabatten, dann die Stationsaufseherin selbst und schlussendlich das 100-jährige Jubiläum der Residenz zu retten, das zu einem langweiligen Liederabend zu verkommen droht. Die gealterten, ausrangierten Künstler*innen beschliessen ein Schultheater aufzuführen. Erinnerungen an ihr früheres Stück «Dr Blöffer» werden wach und die Proben beginnen. Die Heimbewohner*innen zeigen: Der Vorhang ist nicht zum letzten Mal gefallen und führen ein Stück im Stück auf, das auch den letzten Zuschauer*innen das Lachen aus der Kehle lockt.

Ein Schwank, der dem Altern Farbe verleiht

Der versprochene Tiefgang, den das Stück manchmal etwas vermissen lässt, wird durch die überzeichneten Gesten, Pointen und die schauspielerische Leistung wieder wett gemacht. So ist das Stück denn auch am stärksten, wenn es die Spielformen des Schwanks voll auskostet und ins Absurde treibt. Etwa wenn der Dornacher Engel vom Engelsseminar von einem Gesangskanon vertrieben wird, die pinke Badewanne mit dem schwerfälligen Klöti auf die Bühne gerollt oder der Blöffer selbst den Theatersaal kurzerhand in ein Schlagerkonzert verwandelt. Immer wieder verschwimmen die Grenzen zwischen Theater und Wirklichkeit. Die Bewohnerin Arjani beklagt den vulgären Sprechtext und Klöti die Praxis, dass junge Schauspieler alt geschminkt werden, um entsprechende Rollen zu besetzen. So wird das Theater zur Wirklichkeit und die Wirklichkeit zum Theater, frei nach dem Motto: S Läbe isch es seltsams Spiel.

Die Lebensfreude ist ansteckend

Zum Schluss trifft sich die Truppe auf der Bühne zum Resümee. «Zersch fahts aube aa u när isches schowider verbii», fasst Walterli den Abend zusammen, aber besonders schön sei es, «we soviu Lüt chöme cho Publikum sii». Nach einem Jahr Unterbruch und dem Beginn der Aufführungen, die zuerst nur per Livestream stattfinden konnten, geniessen es die Schauspieler*innen sichtlich auf der Bühne zu stehen. «Wir lieben das Theater», singen sie denn auch passenderweise zum Abschluss. Und das Publikum singt mit. Die Lebensfreude des Stückes ist nicht nur dringend nötig, nach dem kulturellen Winterschlaf, sondern auch ansteckend. So ist man sich als Zuschauer*in denn auch nicht ganz sicher, ob das Lachen der Schauspieler*innen nach der letzten Strophe nun im Skript steht oder einfach ein spontanes Mitlachen mit dem Publikum ist.