«Dr nöi Breitsch»: Neue Verzögerung in Sicht

von Luca Hubschmied 1. Juni 2017

Wie Recherchen von Journal B zeigen, stammt die Stimmrechtsbeschwerde gegen den Entscheid des Stadtrats zum Strassenplan erneut vom Anwalt Daniel Kettiger. Diese wurde zwar abgelehnt, doch Kettiger will den Fall weiterziehen.

Die lange Geschichte um das Sanierungs- und Neugestaltungsprojekt «Dr nöi Breitsch» findet vorerst noch kein Ende. Letzte Woche hatte Regierungsstatthalter Christoph Lerch eine nicht-öffentliche Stimmrechtsbeschwerde abgelehnt und damit den Beschluss des Stadtrats zur Genehmigung des Strassenplans bestätigt.

Gegenüber Journal B bestätigte der Anwalt und ehemalige Breitenrain-Anwohner Daniel Kettiger, dass er die Stimmrechtsbeschwerde eingereicht habe. Er macht geltend, dass nicht der Stadtrat über das Geschäft zu entscheiden habe: «Die Umgestaltung des Platzes beinhaltet eigentlich eine Zonenplanänderung, die in einer Abstimmung vom Volk beurteilt werden muss.» Das Regierungsstatthalteramt wies die Beschwerde Kettigers ab, mit der Begründung, der Breitenrainplatz sei der ungezonten Fläche «Verkehrsfläche» zugewiesen und für die Umgestaltung müsse keine Umzonung erfolgen, da weiterhin «ein Platz für die Fussgängerinnen und Fussgänger als Zirkulationsfläche» bestehen bleibe.

Weiter ans Verwaltungsgericht

Auf Nachfrage erklärt Daniel Kettiger, dass er sich damit nicht zufrieden gibt: «Die Begründung des Regierungsstatthalteramts ist klar ungenügend. Ich werde den Fall deshalb ans Verwaltungsgericht weiterziehen.» Damit geht ein langwährendes Ringen um die Zukunft des Breitenrainplatzes in die nächste Runde. «Ich bin der Auffassung, dass diese Überbauungsordnung vors Volk gehört», so Kettiger, «es kann doch nicht sein, dass indirekt externe Planungsbüros in ihren eigenen Plänen entscheiden, ob eine Nutzungsänderung stattfindet oder nicht und somit, ob über die Vorlage abgestimmt wird oder nicht.»

Vor zwei Jahren, im Juni 2015, genehmigte die Bevölkerung der Stadt Bern mit 63% Ja-Stimmen einen Kredit von 56,1 Mio. Franken für das Gesamtprojekt «Dr nöi Breitsch». Dieses beinhaltet insgesamt sieben Teilprojekte, wie Geleise-, Strassen- und Abwasseranlagensanierungen im Raum Breitenrain. Kernstück und grösster Diskussionspunkt sind aber der Breitenrainplatz und die Breitenrainstrasse. Diese sollen weitgehend um- beziehungsweise neugestaltet werden, was unter anderem die Schaffung einer Tempo-20-Zone und die Abkoppelung der Breitenrainstrasse vom Breitenrainplatz beinhaltet. Zusätzlich sollen am Breitenrainplatz und auf der Rodtmattstrasse Bäume gepflanzt werden, um «eine markante Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Breitenrainquartier» zu erreichen, wie die Stadt schreibt.

Der Leist Bern Nord empfahl damals erfolglos die Ablehnung der Abstimmungsvorlage. Eine eigene Umfrage habe gezeigt, dass die drei Teilprojekte «Umgestaltung Breitenrainplatz», «Neugestaltung Breitenrainstrasse» und «Sanierung Rodtmattstrasse» von den Mitgliedern des Leists deutlich abgelehnt würden.

Die zweite Beschwerde

Kettiger, von «Der Bund» einst als «streitbarer Anwalt» betitelt, trat bereits im Vorfeld der Abstimmung vom Juni 2015 ein erstes Mal in Erscheinung, als er, damals noch publik, Beschwerde gegen die Vorlage einreichte. Er machte geltend, die Zusammenfassung der sieben Teilprojekte in eine Abstimmung widerspreche dem Grundsatz der «Einheit der Materie». Der Regierungsstatthalter erteilte der Beschwerde damals keine aufschiebende Wirkung, die Abstimmung wurde durchgeführt und Kettigers Beschwerde ein paar Monate später nachträglich abgewiesen.

Im Februar dieses Jahres hat der Berner Stadtrat nun endlich den nötigen Strassenplan für die Umgestaltung des Breitenrainplatzes und die Sanierung der Rodtmattstrasse beschlossen. Die Realisierung dieser Teilprojekte rückte somit in greifbare Nähe. Immerhin war in der Abstimmungsbotschaft von 2015 noch von einem Baustart im Sommer 2017 die Rede gewesen. Als Kettiger kurze Zeit später seine Stimmrechtsbeschwerde einreichte, gab die Stadt Bern bekannt, dass die Arbeiten somit frühestens im Sommer 2018 beginnen könnten – ein Jahr später als geplant. Nun will Kettiger also die vom Regierungsstatthalter abgelehnte Stimmrechtsbeschwerde ans kantonale Verwaltungsgericht weiterziehen. Der Kampf einer Einzelperson gegen das städtische Grossprojekt wird so schnell kein Ende finden.

Das Tiefbauamt der Stadt Bern plant momentan weiterhin mit Blick auf den Baustart im Sommer 2018. Durch diese Verschiebung entstünden noch keine nennenswerten Kosten. Wie Hans-Peter Wyss, Leiter des Tiefbauamts, auf Anfrage mitteilt, könnte der Baubeginn aber nochmal um mindestens ein weiteres Jahr verzögert werden, wenn der Beschwerdeführer Kettiger sämtliche Rechtsmittel ausschöpfe. In diesem Falle würden aller Voraussicht nach provisorische Ersatzmassnahmen an den Tramgeleisen fällig.

«Katastrophe für den Platz»

Kettiger selbst war als Anwohner des Breitenrainplatzes direkt betroffen und geizt nicht mit Vorwürfen über die geplante Umgestaltung. «Die Vorlage des externen Büros [Zürcher Landschaftsarchitekturbüro Hager, Anm. d. Red.] ist ungenügend und eine Katastrophe für den Platz», meint der Rechtsanwalt, «man ist sich offenbar der planungsgeschichtlichen Tragweite dieses Ortes nicht bewusst».

Zwei Jahre sind nun fast vergangen, seitdem das Berner Stimmvolk deutlich Ja zu «Dr nöi Breitsch» gesagt hat. Am Breitenrainplatz hat sich seither kaum was getan. Von den sieben beschlossenen Teilprojekten ist lediglich eines angelaufen: Seit Mai 2016 werden südlich des Breitenrainplatzes die Abwasseranlagen saniert. Ob in naher Zukunft auch der Breitschplatz zur Baustelle wird oder ob er noch lange Spielball juristischer Streitereien bleibt, kann mittlerweile niemand mehr sicher sagen.