Die untere Altstadt und die Folgen des Lockdown

von Barbara Büttner 30. Juni 2020

Vom 17. März bis zum 11. Mai, 45 lange Tage (abzüglich Sonn- und Feiertagen) stand das öffentliche Leben in der Unteren Altstadt auf Geheiss des Bundes fast vollständig still. Wie verkraften die Geschäfte und Dienstleitungsbetriebe den Lockdown? Kurzentschlossen startete der Kramgassleist Ende der ersten Maiwoche dazu eine anonymisierte Online-Umfrage unter den Mitgliedern, der sich auch die Kesslergass-Gesellschaft und der Rathausgass-Brunngass-Leist anschlossen. Journal B übernimmt den Bericht der BrunneZytig über die Ergebnisse.

Von der Idee, dem Gewerbe und den Dienstleistungsbetrieben mit einer Umfrage erstmals in der Krise genauer den Puls zu fühlen, bis zur Ausführung vergingen nur wenige Tage – und auch die Antwortfrist war mit nicht einmal 14 Tagen ziemlich knapp bemessen. Dennoch haben sich aus den drei Leistgebieten insgesamt 85 Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe aus allen Bereichen und Sparten beteiligt. Es waren zum allergrössten Teil inhabergeführte Geschäfte und Betriebe, die geantwortet haben. Jene also, die sehr genau abschätzen können, was Umsatzeinbussen und Verdienstausfall während des Lockdowns für die Zukunft ihres Geschäfts oder Betriebes bedeuten. Beim Kramgassleist (KL) betrug ihr Anteil knapp 84 Prozent, bei der Kesslergass-Gesellschaft (KGG) sogar über 95 Prozent und beim Rathausgass-Brunngass-Leist (RBL), knapp 80 Prozent. Die weitaus meisten dieser Betriebe zählen – inklusive InhaberIn – ein bis fünf Beschäftigte.

Grosser Umsatzrückgang

Die meisten Geschäfte und Betriebe in den drei Leistgebieten waren in der Lockdown-Zeit komplett geschlossen. Hinter den verschlossenen Türen ging bei 8 Prozent (RBL) bis knapp 30 Prozent (KL) ein eingeschränkter Betrieb weiter. Sei es, weil die Betriebe einen Notfalldienst aufrechterhielten, im Homeoffice oder im Atelier/Werkstatt mit reduzierten Teams weiterarbeiteten, bestehende Aufträge erledigten, oder Bestellungen annahmen und auslieferten – wie etwa Buchhandlungen oder Restaurants, die sich zum Teil als Take-aways neu erfanden, um wenigstens ein bisschen Geld in die Kassen zu füllen.

Im Vergleich zum Vorjahr müssen alle Umsatzeinbussen hinnehmen. Ein kleiner Teil der Betriebe geht von einem Umsatzrückgang bis zu 20 Prozent aus. Der weitaus grösste Teil der Geschäfte rechnet dagegen mit deutlich höheren Umsatzeinbussen. Beim KL gehen sogar gegen 60 Prozent der Antwortenden von einem Umsatzrückgang bis zu 80 respektive bis zu 100 Prozent aus; beim RBB erwarten dies 50 Prozent und bei der KGG knapp 40 Prozent.

In Franken ausgedrückt: Bei der KGG rechnet die Hälfte der Geschäfte mit Einbussen bis zu 50’000 Franken, und knapp 28 Prozent mit Verlusten bis 100’000 Franken und mehr. Beim RBL erwarten über 47 Prozent Mindereinnahmen bis zu 50’000 Franken und gut 31 Prozent der Antwortenden Einbussen von bis zu 100’000 Franken und darüber. Beim KL glauben knapp 37 Prozent der Antwortenden, dass ihnen der Umsatzausfall Einbussen von bis zu 50’000 Franken beschert, knapp 57 Prozent gehen von Verlusten von 100’000 Franken und mehr aus.

Die Mieten

Die Antworten der Umfrage zeigen auch, dass ungefähr die Hälfte der Vermieterinnen und Vermieter den Geschäften und Betrieben in den drei Leistgebieten zumindest teilweise entgegenkamen. Am häufigsten wurde ein Zahlungsaufschub vereinbart. Aber es wurden auch Mietzinserlasse von 50 oder sogar 100 Prozent für die Dauer des Lockdowns gewährt, am häufigsten im Gebiet des RBL. Im Durchschnitt forderte etwa ein Viertel der Vermieter den Mietzins im bisherigen Umfang ein, vor allem in der Kramgasse. Mehrfach betonen Antwortende in ihren Bemerkungen, welche grosse Entlastung für sie Mietzinsreduktionen bedeuten. Offen ist, wie weitere Mietzinsreduktionen möglich werden, solange wegen der Corona-Schutzmassnahmen Umsatzeinbussen unausweichlich sind, etwa bei Coiffeuren oder im Gastrobereich. Einen entsprechenden Beschluss hat das Parlament im Juni gefasst.

Die Hilfen des Bundes

Eine Mehrheit der Antwortenden in allen drei Leistgebieten beantragte Kurzarbeit, was fast ausnahmslos bewilligt wurde. Kündigungen konnten deshalb fast gänzlich vermieden werden. Die staatlichen Kreditangebote wurden von einer klaren Mehrheit der Antwortenden dagegen nicht in Anspruch genommen.

Digitaler Schub

Eine Mehrheit der Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe stellte während des Lockdowns ihr Geschäftsmodell um, vor allem bei RBL und KGG. In der Kramgasse war man damit etwas zurückhaltender. Die meisten, die ihr Geschäftsmodell anpassten, setzten dabei auf Online-Bestellungen und -beratung oder aktualisierten den bereits bestehenden Onlineshop. Aber auch Tanzstunden wurden über einen Videokonferenzanbieter durchgeführt. Andere blieben eher «analog» und berieten Kunden vornehmlich per Telefon.

Zukunftsaussichten

Nur eine verschwindend kleine Zahl der antwortenden Geschäfte und Dienstleister denkt, dass sie mehr oder weniger unbeschadet aus der Krise herauskommen. Über 50 Prozent glauben, dass sie zwar Einbussen haben, aber ihr Geschäft oder ihren Betrieb weiterführen können. Ums Überleben kämpfen 4 Prozent der Antwortenden beim Rathaus-Brunngass-Leist, 10 Prozent beim Kramgassleist und 21 Prozent bei der Kesslergass-Gesellschaft. Einer hat bereits aufgegeben. Und: 21 bis 35 Prozent der Gewerbler in den drei Leistgebieten mochten noch keine Prognose über ihre Zukunftsaussichten abgeben. Das sei noch zu früh.

Fazit

Die zugegeben mit ziemlich heisser Feder entworfene Umfrage in den drei Leistgebieten ist eine Momentaufnahme. Natürlich. Doch gerade in der Zeit nach der langsamen Öffnung war es für die beteiligten Leiste wichtig, eine erste Bestandesaufnahme zu machen und die aktuelle Situation bei jeweils «ihren» Gewerblern und Dienstleistern zu erfragen. Um zu sehen, was Sache ist, und um Handlungsoptionen entwickeln zu können. Trotz einiger Unschärfen kristallisieren sich drei zentrale Erkenntnisse heraus, die wohl für die gesamte Untere Altstadt Gültigkeit haben dürften.

1. Der Corona-Lockdown führt das Gewerbe in der Unteren Altstadt in eine tiefe Krise mit erheblichen Umsatzeinbussen. Und das in einer Zeit, in der der Strukturwandel dem Detailhandel ohnehin schon sehr zusetzt.
2. Die Geschäfte resignieren nicht, sie kämpfen um ihr Überleben. Auch indem sie die Möglichkeiten des Internets intensiver und anders als bisher nutzen und noch andere Aktivitäten entwickelten. Das könnte für die Zukunft eine Chance sein.
3. Die Hilfe von Bund, Stadt und Kanton hat das Schlimmste verhindern können. Doch es wird mehr brauchen, nämlich eine gemeinsame Anstrengung von Politik, Wirtschaft und Verbänden, um Rahmenbedingungen zu schaffen, den meist kleinen inhabergeführten Fachgeschäften, Gastronomiebetrieben und anderen Dienstleistern in der Unteren Altstadt die Weiterexistenz zu ermöglichen. Dazu gehören auch Mietreduktionen.

Die Geschäfte und Dienstleister, die sich an der Umfrage beteiligten, haben zahlreiche Vorschläge gemacht, wie sich ihre schwierige Lage verbessern liesse. Fakt aber ist auch: Alles hängt davon ab, ob sich in der Erholungsphase die Krise allenfalls wieder verschärft, sei es, weil eine zweite machtvolle Corona-Welle anrollt oder sich neue weltweite Krisen entwickeln. Mit dieser Zukunftsunsicherheit müssen wir wohl leben lernen.

Autorin: Barbara Büttner
Quelle: BrunneZytig 2/2020