Es ist eine drastische Massnahme: Die Universität Bern löst das Institut für Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften (ISNO) auf. Ab Sommer 2024 soll der Fachbereich dann neu ausgerichtet werden.
Mitte Oktober wurde publik, dass ein Mitarbeiter des Instituts auf dem Kurznachrichtendienst X die Terror-Attacke der Hamas vom 7. Oktober befürwortete. Die Universitätsleitung veranlasste daraufhin eine externe Administrativuntersuchung. Mitte Januar wurde der Untersuchungsbericht schliesslich der Universitätsleitung vorgelegt. Gestützt auf diesen Bericht, entschied sie nun das ISNO in seiner jetzigen Form aufzulösen und inhaltlich neu auszurichten.
Der Bericht macht zwar einige Vorschläge zum weiteren Vorgehen. Von einer Auflösung des Instituts ist darin aber nirgends die Rede. Auf struktureller Ebene schlägt der Bericht lediglich vor, dass die Leitung des Instituts vorübergehend unter die Aufsicht der Fakultätsleitung oder einer anderen Person aus dem akademischen Umfeld gestellt werden sollte.
Eine Minderheit blockiert systematisch
Allgemein ist wenig verständlich, wie die Unileitung aufgrund des Berichts zu einer solchen Entscheidung kommt. Es stimmt, dass darin von einem polarisierten Institut die Rede ist und der Institutsleitung Unerfahrenheit attestiert wird. Es stimmt aber eben auch, dass der Bericht mehrmals erwähnt, dass die Forschungstätigkeit des Instituts international anerkannt ist und die Mitarbeitenden mit der Institutsleitung und der inhaltlichen Ausrichtung grundsätzlich zufrieden sind.
In den Anhörungen sprach die Mehrheit der Mitarbeitenden und Studierenden davon, dass sich ein Mitarbeiter und einige wenige Studierende dem neuen Kurs des Instituts systematisch verweigerten. So lasse sich die Polarisierung erklären.
Anstatt sich mutig und mit Neugier den vielversprechenden Fragen und Entwicklungen der Disziplin zu stellen, setzt die Uni Bern auf Altbewährtes.
Das entspricht nicht dem Bild, das Unileitung und auch die Medien nun zeichnen. Es entsteht der Eindruck, als würde die Unileitung einer Minderheitenmeinung bedeutend mehr Gewicht geben. Selbstverständlich sollten diese Äusserungen ernst genommen werden. Es wird aber kaum zielführend sein, die Sichtweise dieser Minderheit als alleinigen Massstab für das weitere Vorgehen zu nehmen.
Altbewährtes statt Neugier
Die Unileitung scheint sich die Ergebnisse des Berichts selektiv herauszupicken und die tatsächlich spannenden Impulse zu ignorieren. Denn die gäbe es durchaus. So wirft der Bericht spannende Fragen auf, was den Umgang mit postkolonialen Perspektiven angeht und regt eine ausgebaute interdisziplinäre Zusammenarbeit an, etwa mit der Sozialanthropologie.
Doch davon scheint die Unileitung nichts wissen zu wollen. Stattdessen schlägt sie eine Ausrichtung vor, die sich mehr am historischen und sprachlichen Kontext des Fachbereichs orientiert.
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In einem gesellschaftlichen Klima, in dem die zurzeit spannendsten Forschungsfelder der Kulturwissenschaften politisch unter Druck stehen, entscheidet sie sich fürs Duckmäusertum. Anstatt sich mutig und mit Neugier den vielversprechenden Fragen und Entwicklungen der Disziplin zu stellen, setzt sie auf Altbewährtes.
Die Untersuchung hätte Anlass sein können, wissenschaftlichen Esprit und ein Gespür für Gegenwartsfragen zu zeigen. So muss man aber leider feststellen: Die Uni Bern trifft zum richtigen Zeitpunkt die falsche Entscheidung.
Beim vorliegenden Kommentar handelt es sich um eine leicht abgeänderte Version eines Kommentars, den der Autor für RaBe-Info erstellt hat und der in der Sendung vom 2. Februar 2024 gesendet wurde. Der Autor studierte von 2016 bis 2020 am fraglichen Institut, das damals noch Institut für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie hiess.