Die «Medienwoche» hört auf

von Willi Egloff 23. November 2022

Seit 12 Jahren berichtet die Online-Zeitschrift «Medienwoche», die vom Berner Journalisten Nick Lüthi redigiert wird, über Entwicklungen in der schweizerischen Medienwelt. Auf Ende Jahr stellt das für die Schweiz einzigartige Medium seinen Betrieb ein.

Als «Magazin für Medien, Journalismus, Kommunikation und Marketing» bezeichnet sich die «Medienwoche». Diesem Anspruch wird diese Online-Zeitschrift im besten Sinne gerecht. Was immer in der Schweizer Medienpolitik, in der journalistischen Berufswelt, in Bezug auf die Medienunternehmen diskutiert wird, es findet seinen Niederschlag in der «Medienwoche». Ein «Medienmonitor» verlinkt zudem auf einschlägige Beiträge in anderen Medien und bietet dadurch einen recht umfassenden Überblick über die wirtschaftliche und politische Entwicklung der Schweizer Medienlandschaft.

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Ein besonderes Markenzeichen der «Medienwoche» ist die Kolumne «The Good, the Bad and the Ugly». Seit mehr als zwei Jahren wird dort Woche für Woche eine besonders positive, eine besonders negative und eine besonders bizarre News aus der Schweizer Medien- und Werbewelt kritisch präsentiert und kommentiert. Zuletzt stellten dort Bettina Büsser, Nick Lüthi und Miriam Suter Phänomene aus der Medienwelt je nach dem auf den Sockel oder an den Pranger.

Quersubventionierung durch Erträge aus Stellenbörsen

Ende dieses Jahres soll nun aber Schluss sein. Wie der Gründer und Verleger Thomas Paszti in einer nüchternen Mitteilung verkündet, wird die «Medienwoche» auf Ende 2022 eingestellt. Begründet wird der Schritt mit «der unternehmerischen Zukunft und der in einigen Jahren anstehenden Nachfolgeregelung». Mit anderen Worten: Der Betrieb dieses kritischen Medienmagazins ist ein ständiges Verlustgeschäft, und der Herausgeber will es beenden, solange er noch im Verlag das Sagen hat.

Finanziert wird die «Medienwoche» nämlich zur Hauptsache aus den Erträgen der beiden Stellenbörsen «medienjobs.ch» und «ictjobs.ch». Einen Beitrag leisten auch Werbeeinnahmen und Publikumsspenden, doch sind diese marginal und decken die Kosten der Zeitschriftenredaktion bei weitem nicht. Ohne Quersubventionierung aus den Stellenbörsen kann die «Medienwoche» nicht überleben.

Die heutige verlegerische Praxis ist weder idealistisch noch an unabhängigem Journalismus interessiert.

Diese vom Verlag praktizierte Quersubventionierung «hat in der heutigen Medienwelt mehr mit Idealismus und dem Glauben an unabhängigen Journalismus zu tun, als mit der gängigen verlegerischen Praxis», heisst es in der Mitteilung von Thomas Paszti weiter. Man könnte es auch umgekehrt formulieren: Die heutige verlegerische Praxis ist weder idealistisch noch an unabhängigem Journalismus interessiert. Was sich aus dem geschrumpften Werbeaufkommen, das den gedruckten Medien und den Onlinemedien noch verblieben ist, nicht ausreichend  finanzieren lässt, hat in dieser Perspektive schlicht keine Existenzberechtigung mehr.

Ende des Medienjournalismus

Das abrupte Ende der «Medienwoche» erinnert an die Ursachen für den Niedergang vieler anderer Medienprodukte, nicht zuletzt auch der Berner Tageszeitungen «Bund» und «Berner Zeitung». Auch dort wurde nach der Übernahme der beiden Zeitungen durch die TX Group AG ein grosser Teil des früheren Anzeigengeschäfts auf Plattformen ausgelagert und verselbständigt, und die Erträge wurden nicht mehr zur Finanzierung von Redaktionen verwendet, sondern anderen Unternehmenseinheiten zugewiesen. Dem jahrhundertealten Geschäftsmodell des Zeitungswesens, die Herstellung von journalistischen Inhalten über Werbeerträge zu finanzieren, wurde und wird dadurch die Grundlage entzogen. Man kann das bedauern – aber es entspricht der, wie Thomas Paszti es ausdrückt, «gängigen verlegerischen Praxis».

Es sind wirklich schwierige Zeiten für den kritischen Medienjournalismus.

Im Falle der «Medienwoche» muss man diese Entwicklung ganz besonders bedauern, weil es für diese Art eines gleichzeitig kritischen und unabhängigen Medienjournalismus in der Schweiz zur Zeit keine Alternative gibt. Die einst bedeutenden Publikationen aus gewerkschaftlich orientierten Journalist*innen-Kreisen sind zu dünnen Rinnsalen geschwunden. Die grossen Tageszeitungen haben die Medienkritik schon vor vielen Jahren weitgehend abgeschafft, weil es natürlich auch der «gängigen verlegerischen Praxis» widerspricht, dass sich Journalistinnen und Journalisten kritisch mit den eigenen Medienprodukten und der Medienpolitik des eigenen Unternehmens auseinandersetzen dürfen. Es sind wirklich schwierige Zeiten für den kritischen Medienjournalismus.

Eine weitere Erkenntnis lässt sich aus dem Untergang der «Medienwoche» gewinnen: Wer unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen Information im öffentlichen Interesse vermitteln will, ist in der Schweiz auf finanzielle Beiträge der eigenen Community und auf Sponsoring angewiesen. Das ist zwar punktuell immer wieder einmal möglich, aber es ist in aller Regel nicht nachhaltig. Der Untergang der «Medienwoche» sollte daher Anlass sein, nochmals von Grund auf über die Notwendigkeit einer öffentlichen Förderung von Medien nachzudenken, die sich nicht an wirtschaftlichen Interessen ausrichten.