Politik - Meinung

Die Medien sollen kritisch bleiben!

von Noah Pilloud 13. September 2023

Sicherheitspolitik Der Sicherheitsdirektor übt sich einmal mehr in Medienschelte und die bürgerliche Ratsmehrheit doppelt nach. Dabei offenbaren beide ein krudes Rollenverständnis innerhalb der vier Gewalten.

Nachdem vergangenen Dienstag das Urteil im Prozess gegen zwei Polizeibeamte gesprochen war, liess es sich Sicherheitsdirektor Philippe Müller nicht nehmen, tags darauf sogleich die Medien zu kritisieren. In einer Medienmitteilung der Sicherheitsdirektion liess er kein gutes Haar an der Berichterstattung zum Fall. Insbesondere die Tamedia-Tageszeitungen wurden von Müller scharf kritisiert.

Diese Zeitungen waren es, die den Fall ins Rollen gebracht hatten. Mehrere Journalist*innen und ein Fotograf von Bund und BZ hatten die Verhaftung vor der Heiliggeistkirche per Zufall mitbekommen und in der Folge darüber berichtet. Dabei gaben zwei Punkte zu reden: Bei der Fixierung des Verhafteten kniete der später angeklagte Polizist dem Verhafteten auf den Nacken. Danach wurde der Verhaftete von einem anderen Polizisten äusserst unsanft ins Polizeifahrzeug gebracht.

Müller lenkt geschickt davon ab, dass der zweite Polizist vom Gericht verurteilt wurde.

Der erste Polizist wurde vor Gericht freigesprochen, was den Sicherheitsdirektoren zu seiner Medienschelte veranlasste. Durch die Bildwahl und einen angeblichen Vergleich mit dem Fall George Floyd (in Tat und Wahrheit verwies die Redaktion lediglich auf eine Aussage, die ein Rechtsmediziner in einem Artikel zum Todesfall in Amerika gemacht hatte) sei es zu einer Vorverurteilung gekommen.

Damit erreicht Müller vor allem eines: Er lenkt geschickt davon ab, dass der zweite Polizist durch das Gericht verurteilt wurde.

Bürgerliche Medienkritik

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Müller kritisch zur Arbeit der Medien äussert oder ihnen sagt, wie sie ihren Job zu tun hätten. In einem Interview mit der Hauptstadt kritisierte er beispielsweise die Fragen des Journalisten und schlug der Redaktion gleich darauf vor, worüber sie stattdessen schreiben solle. Als letzte Woche der Grosse Rat über die Teilrevision des Polizeigesetzes debattierte, kritisierte der Sicherheitsdirektor in einem Votum einen Artikel der Republik.

Journal B unterstützen

Unabhängiger Journalismus kostet. Deshalb brauchen wir dich. Werde jetzt Mitglied oder spende.

Damit war Philippe Müller nicht allein. In der Ratsdebatte schien es vielen bürgerlichen Politiker*innen ein Anliegen, die Polizei vor jeglicher Kritik zu schützen und sowohl ihre linken Ratskolleg*innen als auch die Medien für ihre kritische Haltung zu rügen. So meinte etwa der Präsident der Sicherheitskommission André Roggli (Die Mitte), anstelle einer Ombudsstelle brauche die Polizei die Rückendeckung von Politik und Medien.

Auch in der Angelegenheit mit der Tamedia-Berichterstattung erhielt Müller bürgerliche Unterstützung aus dem Grossen Rat. Noch am selben Tag publizierten die bürgerlichen Parteien eine gemeinsame Medienmitteilung, in der sie dem Sicherheitsdirektor in allen Punkten beipflichteten.

Die eigene Rolle wahrnehmen

Es scheint, als gerate bei einigen bürgerlichen Politiker*innen das Rollenverständnis durcheinander. Der Sicherheitsdirektor scheint zu vergessen, dass es als Exekutivpolitiker nicht gut anschickt, solch harsche Töne anzuschlagen und die Medien derart anzugehen. Er scheint sich nicht im Klaren darüber zu sein, dass er eine repräsentative Funktion mit viel Verantwortung innehat und es deshalb dazu gehört, den Medien Red und Antwort stehen zu müssen.

Angesichts des bürgerlichen Schulterschlusses zwischen Legislative und Exekutive sollten wir auf keinen Fall unkritisch werden.

Die bürgerliche Mehrheit im Grossen Rat scheint zu vergessen, dass es mitunter zu ihrer Aufgabe gehört, die Exekutive zu kontrollieren. Indem sie der Polizei ihr blindes Vertrauen schenkt und so effektive Kontrollmechanismen im Gesetz verhindert, werden sie ihrem verfassungsmässigen Auftrag nicht gerecht. Anderen Parlamentarier*innen und den Medien ihre kritische Haltung vorzuwerfen, wirkt vor diesem Hintergrund zynisch.

Vorverurteilungen und voreingenommene Berichterstattung sind reale Gefahren in unserer Tätigkeit. Wir sollten uns und unsere Arbeit stets kritisch hinterfragen und Kritik von aussen ernst nehmen. Unsere Arbeit kann grossen Einfluss haben und wir sollten dafür verantwortlich gemacht werden, wenn durch sie jemand ernsthaft zu Schaden kommt. Angesichts des bürgerlichen Schulterschlusses zwischen Legislative und Exekutive sollten wir aber eines auf keinen Fall tun: unkritisch angenehm und gefällig werden.