Die lokale, nachhaltige Tankstellen-Alternative

von Janine Schneider 15. Februar 2022

Sie waren plötzlich überall in Bern anzutreffen. Und nun machen sich die «Rüedu»-Hofläden auf Zürich zu erobern. Mit ihrem Konzept bedienen sie gleichermassen die Bequemlichkeit der Städter*innen und unterstützen lokale Produzent*innen.

«Hier herrscht Start-Up-Atmosphäre», Jürg Burri umfasst mit einer Handbewegung das kleine Büro im Verteilzentrum Worb, dessen Wände und Boden mit Spanholz ausgekleidet sind. Draussen vor der Glastür lagern Sirupflaschen, Konfitüre und Most in langen Regalen und auf der Holzwand nebenan prangt das Logo – ein Marktstand – und darunter der Slogan: «Rüedu. Ehrlich lokal.» Start-Up trifft es. Seit Jürg Burri und Tom Winter im Juli 2020 im Wyler ihren ersten «Rüedu»-Selbstbedienungsladen gegründet haben, sind sie buchstäblich durchgestartet. Zuerst folgte ein erster Holzcontainer in Zollikofen, dann acht weitere in der Region Bern. Nun ist «Rüedu» bereits in die Stadt an der Sihl expandiert: Auf Sommer 2022 sind sechs Läden in der Region Zürich Stadt geplant.

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Hier hat alles angefangen: am ersten Rüedu-Standort im Wyler ist der Container gleich in den Laden eingebaut. (Foto: Janine Schneider)

Lokale Produkte

Das Prinzip hinter «Rüedu» ist simpel: Ein Selbstbedienungsladen, der regionale und frische Produkte 24/7 anbietet. Die Produkte werden eingescannt und können dann im Self-Checkout bezahlt werden. Mit einer App haben die Kunden sogar nachts Zutritt zum Container-Hofladen ihrer Wahl. Das Sortiment verspricht «lokal, regional und saisonal» zu sein. Dazu gehören neben Äpfeln und Lauchstangen auch frische Milch, Foodoo Saucen, tiefgefrorene Momos und Eiscreme. Das Sortiment variiert je nach Standort. An manchen Orten werden Milch und Eier von den lokalen Produzent*innen gleich direkt in den Laden geliefert. Meistens werden die Läden aber vom Lagerstandort in Worb aus beliefert.

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Das Gemüseangebot im Rüedu-Laden im Wyler. (Foto: Janine Schneider)

Ein Besuch in einem Rüedu-Laden zeigt: Regionales und Saisonales hat zwar Vorrang, die Angebotsvielfalt soll aber augenscheinlich nicht darunter leiden. Deshalb gibt es neben den lokalen Äpfeln und der Chäsi-Butter auch importierte Blumenkohlköpfe aus Italien. «Es ist uns aber wichtig, in solchen Fällen auf die genaue Wertschöpfungskette zu achten», erklärt Jürg Burri. Das heisst, die Produkte müssen entweder Bio sein oder aus nachhaltigen Fairtrade-Projekten stammen, wie beispielsweise die exotischen Trockenfrüchte von Mahler&Co. «Natürlich könnte man sich überlegen, ob es überhaupt nötig ist, Trockenfrüchte im Sortiment zu haben. Aber wir finden es ein tolles Projekt, welches wir unterstützen», so Burri.

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Es gibt auch exotische Produkte, jedoch müssen diese entweder Bio oder aus nachhaltigen Fairtrade-Projekten stammen. (Foto: Janine Schneider)

Direktvermarktung für Produzent*innen

Die Container sollen nicht nur die Idee des Quartierladens wiederbeleben, sie ermöglichen es auch, Kosten durch entfallende Mieten zu sparen. Das Geld soll stattdessen lieber in die faire Entlöhnung der Produzent*innen gehen. «Rüedu» soll ihnen durch die Direktvermarktung eine höhere Wertschöpfung ermöglichen und sie ein wenig in ihrer Abhängigkeit von den Grosshändlern entlasten. Produkt-Normen, wie letztere sie oft vorgeben, sollen dabei keine Rolle spielen. «Mir ist es egal, wie der Apfel aussieht, solange er frisch ist und gut schmeckt», erklärt Jürg Burri.

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Natürlich sind die Preise bei einer lokalen Produktionskette oft auch höher. Die Zielgruppe des Start-Ups ist finanziell sicher auch eher einer gutverdienenden Mittelschicht zuzuordnen, die bereit ist, mehr Geld für lokale Produkte auszugeben. Burri ist es allerdings wichtig, zu betonen, dass im Rüedu-Hofladen auch immer Angebote für ein geringes Budget dabei sind.

Vertrauensvorschuss

Zuletzt drängt sich doch noch die Frage auf: Wie sieht es eigentlich mit Ladendiebstahl aus? «Unser Konzept gründet auf einem Vertrauensvorschuss, den wir der Gesellschaft geben. Wir vertrauen darauf, dass sie so reif ist, mit dieser Verantwortung umgehen zu können», so Burri. Es mache ihn ein bisschen stolz, dass es funktioniere. Allerdings gebe es natürlich trotzdem diese wenigen Ausnahmen, die das Vertrauen missbrauchen und Waren mitgehen lassen würden. Es funktioniert also, aber es funktioniert nicht reibungslos. Es gilt, das Ökosystem im Gleichgewicht zu halten.

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Die Rüedu-Läden setzen vor allem auf regionale und frische Produkte. (Foto: Janine Schneider)