«RGA» heisse die neuste Signatur, erklärt einer der Magaziner. Er setzt seine Brille auf und tritt näher an das hohe grüne Regal heran, das auf Hüfthöhe mit einer grauen Kurbel versehen ist. Kürzlich sei die Signatur «RFA 99’999» erreicht worden und man habe eine neue begonnen. Er tippt auf das Schildchen am Regal: «Das war im August», sagt er. Daraufhin steigt er auf sein Trottinett und verschwindet in einem der langen Gänge.
80 Laufkilometer Büchermagazin
Im dritten Untergeschoss der Fabrikstrasse 8 am Hochschulzentrum vonRoll beleuchtet grelles Neonlicht den glatten Betonboden. Einen Stock darüber pauken Studierende im grossen Lesesaal der Bibliothek gerade für die Prüfungen. Für die meisten ist es die intensivste Zeit des Semesters. Hier unten bekommt man von der Hektik oben wenig mit. Klar, hie und da schwärmen die Magaziner*innen aus, um die Bücherbestellungen für Studierende zusammenzusuchen. Aber ansonsten ist es ruhig – ruhiger noch als in der Bibliothek darüber. Die dicken Betonwände und unzähligen massigen Regale verschlucken jeden Ton, der sich auf den Weg ins 3. UG macht.
Das Speichermagazin der Universitätsbibliothek Bern ist mit über 80 Laufkilometer das grösste Magazin der Universität. Es beherbergt mehr als die Hälfte ihres gesamten Bücherbestands. Als man die Bibliothek im Sommer 2013 eröffnete, befanden sich bereits über zwei Millionen Bücher aus dem Bestand der Zentralbibliothek Münstergasse im Speichermagazin.
Das offene Gitter
Auch nach dem Abschluss der Umbauarbeiten an der Bibliothek Münstergasse im Mai 2016 blieben die Bücher mit der Signatur «ZB» im vonRoll. Rund 250’000 Bücher – historische Bestände, die vor 1800 gedruckt wurden, und ein Teil der Bestände vor 1900 – wurden jedoch wieder zurück in das Magazin an der Münstergasse gebracht. Seither befinden sich im Speichermagazin kaum mehr seltene oder besonders wertvolle Bücher. Der früher durch Alarm gesicherte hintere Bereich des Magazins dient heute nunmehr der gewöhnlichen Aufbewahrung.
Die einst durchgehend geschlossene Gittertür steht jetzt offen, das Zahlenfeld an der Wand daneben hat schon länger niemand mehr bedient. An der Decke verlaufen die sperrigen Belüftungsschächte, die das gesamte Speichermagazin auf erfrischende 18 Grad temperieren und ihre Arbeit mit leisem Surren verrichten. Beim Schlendern durch die Regalreihen bleibt der Blick vor allem an den alten Büchern kleben, denen mit aufwändigem Einband und zerkratztem Rücken. Einige davon sehen so mitgenommen aus, dass man sich kaum getraut weiter als bis zur ersten Umschlagseite zu blättern, geschweige denn eine Seite etwas zurechtzudrücken, um bis zur Verklebung lesen zu können.
Der Mitarbeiter*innen-Lift bringt einen schliesslich wieder nach oben in die Bibliothek. Zahlreiche Studis hocken an ihren Arbeitsplätzen und tippen auf der Laptoptatstatur oder blättern still in ihren Notizen. Ab und zu geht jemand zur Theke und nimmt einen Stapel Bücher entgegen.