Die Bern-Utopie von Matthias Stürmer (EVP)

von Dinu Gautier 2. Oktober 2012

Gemeinderatskandidat Matthias Stürmer berichtet aus seiner utopischen Zukunft: Berns Verwaltung ist völlig transparent. Eine Bern-App bringt städtische Dienstleistungen und demokratische Mitwirkung in die Hosentasche der Bürgerinnen und Bürger.

«Noch 2012 hatte die Verwaltung in Bern ein schlechtes Image. Sie arbeite zu langsam, sie sei zu teuer, sie sei inkompetent, sie lege einem Steine in den Weg, hiess es.

Heute ist Bern die weltweit führende Open-Government-Stadt: Der Kontakt zu den Behörden ist in fast allen Bereichen auch digital möglich, es herrscht weitestmögliche Transparenz und die Bürgerinnen und Bürger können sich viel stärker konstruktiv mit Ideen und Kritik einbringen.

«Früher war man unheimlich stolz auf die direkte Demokratie – dabei konnte man nur Ja oder Nein sagen.»

Matthias Stürmer, EVP

Wie werden die Steuereinnahmen der Stadt im Detail ausgegeben? Welches Kadermitglied der Verwaltung verdient wie viel? In welchem Stadium des Bewilligungsverfahrens ist mein Baugesuch? Wie schaut die Agenda eines bestimmten Gemeinderats für den heutigen Tag aus? In welcher Gegend hat die Polizei am meisten Delikte registriert? Antworten auf diese und viele andere Fragen bietet die Stadt heute online an. Man muss nicht wie früher danach fragen, die Daten sind da. Nicht publiziert werden lediglich Informationen, die die Privatsphäre von Drittpersonen oder die Sicherheitsinteressen der Verwaltung bedrohen würden.

Vorbildlich an Bern ist aber nicht in erster Linie die Transparenz an sich – andere Gemeinden und sogar Länder kennen sie auch –, sondern die Art und Weise, wie die hiesige Verwaltung die Daten aufbereitet und visualisiert. Besonders beliebt ist die sogenannte Bern-App. Wer damit durch die Stadt geht, der wird – wenn er das will – per Piepston darauf aufmerksam gemacht, wenn er eine Stelle passiert, an der beispielsweise ein neues Gebäude geplant ist. Der Bern-App-Nutzer sieht auf dem Display, wie das Gebäude aussehen soll, in welchem Stadium die Planung ist, was es kostet, wer es bezahlt und welche Firma es bauen soll. Und, ganz wichtig: Er erfährt, wie er sich mit Verbesserungsvorschlägen, Kritik oder Ideen einbringen kann.

Früher war man unheimlich stolz auf die sogenannte direkte Demokratie. Dabei konnte der Bürger aber meist nur Ja oder Nein sagen. Abstimmungen gibt es zwar noch immer, man kann sich aber schon viel früher und inhaltlich einbringen. Dies natürlich nicht nur dann, wenn ein neues Gebäude erstellt oder eine Strasse saniert werden soll.

Freiraum dank Bern-App

Per Bern-App wurden etwa Jugendliche in der Stadt Bern gefragt, was für Freiräume in der Innenstadt sie sich wünschen. Die besten Ideen konkretisierten Spezialistinnen und Spezialisten. Wiederum per Bern-App konnten sich die Jugendlichen und alle anderen Bevölkerungskreise zu den Vorschlägen äussern. Das beste Projekt wurde schliesslich an der digitalen App-Urne deutlich angenommen – die Behörden hatten dank den Reaktionen schon früh gemerkt, welche Option sowohl den Bedürfnissen der Jugendlichen entspricht als auch die Bedenken anderer Kreise am besten zu zerstreuen vermochte.

«Die Medien sind nicht mehr auf die Informations- häppchen der Verwaltung angewiesen.»

Matthias Stürmer, EVP

Natürlich beteiligen sich bei weitem nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt täglich an solchen Ideenwettbewerben und Vernehmlassungen. Aber wer es tun will, der kann es. Andere brauchen die Bern-App eher dafür, dem Tiefbauamt zu melden, dass die Strassenlaterne vor dem Haus mal wieder kaputt ist.

Neben offiziellen Anwendungen haben innovative Kleinunternehmen dank den öffentlich zugänglichen Daten eigene Apps entwickelt. Zum Beispiel gibt es eine App für die Wohnungssuche, die freie Wohnungen mit den offenen Daten über das entsprechende Quartier verknüpft (inklusive Kriminalstatistik, Schulqualität, Lärmpegel oder Bauvorschriften).

Die Berner Lokalmedien schliesslich setzen stark auf sogenannten Data Journalism. Nicht mehr wie einst auf Informationshäppchen der Verwaltungsmedienstellen angewiesen, recherchieren sie heute häufiger vertieft von sich aus.

Das schlechte Image der Verwaltung existiert nur noch in vagen Erinnerungen an intransparente Zeiten.»