«Wir sind stolz auf den Bund», schreibt Pietro Supino im Editorial der Geburtstagsausgabe des «Bund» vom 1. Oktober. «Wir» tragen seit 13 Jahren die verlegerische Verantwortung, heisst es weiter; «wir» konnten die Qualität im Journalismus entwickeln, ohne den Charakter unserer Medienmarken zu verwässern; «wir» ermöglichten dem «Bund», von den grösseren Möglichkeiten des «Tages-Anzeigers» zu profitieren; «wir» konnten in Bern zwei konkurrierende Qualitätszeitungen erhalten, was auch international aussergewöhnlich sei. Kurz zusammengefasst: «Wir» sind die grössten. Supino hat sich wohl von Donald Trump inspirieren lassen.
Um diese herausragende Leistung zu unterstreichen, werden dann zunächst mal die Vorgänger in die Pfanne gehauen. Anfang der 1990er-Jahre sei der «Bund»-Verlag immer mehr in eine Schieflage geraten, ist da zu lesen. Er habe sich dann für eine Kooperation mit der langjährigen Konkurrenz der «Berner Zeitung» entschieden. Als diese 2007 von der Tamedia übernommen worden sei, habe der «Bund»-Verlag von einem vertraglichen Verkaufsrecht Gebrauch gemacht. Deshalb habe die Tamedia unfreiwillig den «Bund» übernehmen müssen, was für die Tamedia «nicht einfach» gewesen sei.
Es ist eine durchaus originelle Art, einen 170. Geburtstag zu feiern: Man handelt die ersten 157 Jahre des Geburtstagskindes in zwei Sätzen ab und hält dann fest, dass man mit dem Geehrten am liebsten nie etwas zu tun gehabt hätte. Weil man halt aber vertraglich zur Übernahme verpflichtet gewesen war, habe man sich notgedrungen arrangiert. Und irgendwie habe der «Bund» Tamedia vielleicht sogar noch ein bisschen bereichert, nämlich mit seiner «Unaufgeregtheit und analytischen Kompetenz». Wenn ich der «Bund» wäre, würde ich einen solchen Festredner die Geburtstagstorte ins Gesicht drücken.
Kohle her, oder es knallt!
Im zweiten Teil seines Editorials kommt Pietro Supino dann zur Sache. «Wir», fährt er fort, «wir» haben die Ambition, die beiden Berner Tageszeitungen weiterzuführen, heisst es da. Aber «wir» können das nicht allein. Es müssen vielmehr Voraussetzungen erfüllt werden, damit «wir» weitermachen, nämlich die folgenden:
- Es müssen genügend Leserinnen und Leser unsere Zeitungen abonnieren.
- Das Gewerbe, die Unternehmen und auch die Institutionen dürfen ihre Mittel nicht mehr «bei der globalen Konkurrenz» investieren, sondern sie haben ihre Werbung gefälligst bei uns zu platzieren.
- Das Bundesparlament muss endlich seine Idee aufgeben, kleine Onlinemedien stärker zu fördern als grosse. Die sogenannte Holdingklausel, wonach verschiedene Onlinemedien aus dem gleichen Haus bei der Subventionierung als ein Medium behandelt werden, muss gestrichen werden.
- Der «Anzeiger der Region Bern» muss aufgegeben werden. Statt Geld in dieses defizitäre Amtsblatt zu stecken und «damit den Wettbewerb zu verzerren», haben die Regierungen von Stadt und Kanton Bern nach einer gemeinsamen Lösung mit der Tamedia zu suchen.
Der Wunschzettel ist klar und deutlich. Entweder diese «unaufgeregten» Bernerinnen und Berner machen jetzt endlich Geld locker, oder der «Bund» wird eingestellt. Vielleicht auch die «Berner Zeitung». Jedenfalls wird die Tamedia dieses sogenannte «Berner Modell» nur weiterführen, wenn die Finanzen stimmen. Gleichzeitig haben Bund, Kanton und Stadt Bern ihre Medienpolitik so auszugestalten, dass sie der Tamedia bzw. der TX Group nützt. Auch davon hängt der Fortbestand des Berner Modells ab. Der Wunschzettel hat unverkennbar einen drohenden Unterton.
Medien als Geldmaschine
Zur Erinnerung: Die TX Group richtete für das Geschäftsjahr 2018 eine Dividende von CHF 37,5 Millionen aus und erzielte auch im Geschäftsjahr 2019 einen Gewinn von rund CHF 54 Millionen. Dann allerdings kam Corona und vermieste dem Medienriesen das Geschäft. Vor allem die Gratiszeitung «20Minuten» geriet kräftig unter die Räder. Deshalb richtete die TX Group im laufenden Jahr auch keine Dividende mehr aus.
Allerdings geht das Unternehmen keineswegs am Stock. Die von TX Group betriebenen Plattformen wie Doodle, Homegate, Jobcloud oder Ricardo erbringen nach wie vor satte Gewinne. Auch der grossflächige Bezug von Kurzarbeitsentschädigungen trug zur Schadensminderung bei. Für das zweite Halbjahr 2020 erwartet TX Group bereits wieder eine ausgeglichene Rechnung. Das Unternehmen kann das schlechte «Corona-Jahr» locker wegstecken.
Umso deplatzierter wirkt Supinos Wunschzettel. Dass er sich mehr Inserate wünscht und mehr Abonnentinnen und Abonnenten, liegt auf der Hand. Allerdings müsste man dafür wohl auch das Angebot etwas nachbessern. Dass der Verleger gleich auch noch der Politik Handlungsanweisungen erteilt und unverhohlen mehr Subventionen für sein Unternehmen verlangt, ist schon dicke Post. Und die Forderung nach Einstellung des Anzeigers Region Bern, verbunden mit der Drohung, andernfalls das «Berner Modell» einzustellen, ist schlicht unverschämt.
Der ganze Vorgang zeigt, dass es Herrn Supino keineswegs um unabhängigen Journalismus und vielfältige Medien geht. Die Forderung nach Medienvielfalt ist nicht mehr als ein Werbeslogan, der dann eingesetzt wird, wenn er dem Ruf nach Subventionen für sich selbst dient. Wenn unter Medienvielfalt die Unterstützung kleinerer Medien in den Regionen und Erhaltung der Informationsvielfalt in der Fläche verstanden wird, ist sie unerwünscht. Denn dann verfehlt sie das, was nach Supino offenbar das Ziel von Medienförderung sein müsste: Den grossen Konzernen zusätzliches Geld zuzuschaufeln, damit sie wieder ungehindert Dividenden bezahlen können.