Der Tatendrang von Andreas Blum

von Otmar Hersche 29. Januar 2024

Nachruf Andreas Blum – Politiker, Schauspieler und ehemaliger Direktor Schweizer Radio DRS – ist am Wochenende gestorben. Ein Nachruf.

1967 kam Andreas Blum zum Radio. Als Mitarbeiter der Abteilung «Wort» interessierte er sich speziell für grundsätzliche politische und gesellschaftliche Fragen, auch für historische Themen, etwa im Zusammenhang mit ersten Untersuchungen zur Schweizer Politik im Zweiten Weltkrieg. Seine Beiträge, auch seine Diskussionsrunden, fanden bald grosse Beachtung, lösten Diskussionen und Kontroversen aus. Es war eine wunderbare Radiozeit! In den Studios wehte Pioniergeist. Das Fernsehen spielte noch keine grosse Rolle. In Freiheit und Unabhängigkeit konnte gearbeitet werden, ohne Störaktionen, wie sie später üblich waren.

Der Tatendrang von Andreas Blum ging aber weit über die Radioarbeit hinaus. Er war eigentlich gelernter Schauspieler, hatte unter anderem ein Engagement am Stadttheater Rostock, spielte in der TV-Serie «Salto Mortale» mit, war ein veritabler Fernsehstar (was er dann nicht mehr gern hörte..). Später moderierte er einige Aufsehen erregende Ausgaben der «Telebühne» am Schweizer Fernsehen. Und nochmals einige Jahre später – 2011 – gab er den «Gotthelf» in einem Musical der Thuner Seespiele. Als wortmächtiger Sozialdemokrat hatte er seine politischen Auftritte im Berner Grossen Rat und 1975 bis 1979 im Nationalrat. Zur gleichen Zeit nahm er an sportlichen Wettkämpfen teil, oft mit Erfolg. Wie er all diese Aktivitäten unter einen Hut bringen konnte, blieb für das staunende Publikum ein Rätsel. Aber seine Basis war und blieb das Radio. Er wurde zum Direktor gewählt.

Radio Blum wurde zum Schimpfwort und Kampfbegriff. Mit Unterstellungen aller Art wurde eine unabhängige Medienarbeit gestört.

Seine Direktionszeit (1978 bis 1999) fiel in eine schwierige Phase der neueren Geschichte. Einige Stichworte dazu lauten: Kalter Krieg, Jugendunruhen. Fichenskandal, zunehmende politische Polarisierung, unversöhnliche Debatten zur Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Das SRG-Monopol musste gebrochen werden und zwar mit Gewalt, das heisst mit endlosen Beschwerdeaktionen, mit peniblen Kampagnen. «Radio Blum» wurde zum Schimpfwort und Kampfbegriff. Mit Unterstellungen aller Art wurde eine unabhängige Medienarbeit gestört.

Das Terrain musste frei gemacht werden für die privaten Radio- und TV-Angebote, die als Alternative zum linkslastigen einseitigen SRG-Programm propagiert wurden. So gut es ging und meistens tapfer hielt Blum dem Druck stand. Radio DRS wurde in dieser Zeit modernisiert, ein Drittes Programm konnte eingeführt werden. Bis zur Pensionierung und Jahre nachher setzte sich Blum leidenschaftlich für sein Radio und für die SRG ein – leider ohne nachhaltige Wirkung in der Realität. Im Rückblick äusserte er sich enttäuscht über die mediale Entwicklung im Allgemeinen und der SRG im Besonderen.

Bis zur Pensionierung und Jahre nachher setzte sich Blum leidenschaftlich für sein Radio und für die SRG ein.

Es müsste noch Vieles erwähnt werden. Unter anderem sein Engagement für Amnesty international, für Swissaid, für die Glückskette, für Exit. In der intensiven und teils turbulenten Betriebsamkeit kamen wohl zeitweise persönliche, private Bedürfnisse zu kurz. Blum war dreimal verheiratet. Aus erster Ehe stammten zwei Söhne und eine Tochter. In den letzten Lebensjahren machten ihm schwere gesundheitliche Probleme zu schaffen. Der ehemalige Sportler und unermüdliche Läufer musste nun mühsam und langsam an zwei Stöcken durch die Gegend gehen. Eine Besserung war nicht in Sicht – im Gegenteil. Für Blum hatte ein solches Leben keine Qualität, also keinen Sinn mehr. Er zog die Konsequenz.

Am 26. Januar 2024 ist Andreas Blum im Alter von 86 Jahren selbstbestimmt gestorben.