Eigentlich geht es bei der Abstimmung um die Bewilligung eines Kredits für den Bau von Strassen und weiterer Infrastruktur, die für die Überbauung erforderlich ist, sowie um die Errichtung eines dort geplanten Parks. Über diese Themen wird aber nur am Rande gesprochen. In der Abstimmungspropaganda wird zur Hauptsache eine weitere Runde im Glaubenskrieg ausgetragen, ob – und allenfalls wie – auf dieser früheren Landwirtschaftsfläche Wohnungen gebaut werden sollen oder eben nicht.
Eigentlich ist diese Frage seit dem Jahre 2016 entschieden. Damals haben die Stimmberechtigten der Stadt Bern einem Zonenplan zugestimmt, welcher die zukünftigen Nutzungen exakt vorgibt. Danach soll auf dem Areal ein neues Stadtquartier mit insgesamt 1140 Wohnungen errichtet werden, wovon die Hälfte dem gemeinnützigen Wohnungsbau vorbehalten sein muss. Ein früheres Projekt, das eine wesentlich umfangreichere Überbauung vorgesehen hatte, war 2004 von den Stimmberechtigten abgelehnt worden.
Auf der Grundlage dieses rechtskräftigen Zonenplans führte die Stadt einen städtebaulichen Wettbewerb durch, auf dessen Siegerprojekt die jetzige Abstimmungsvorlage beruht. Durch sie sollen die Gelder freigegeben werden, welche für den Bau der Infrastruktur und für die weiteren Entwicklungsschritte notwendig sind.
Breite Abstützung im Stadtrat
Im Stadtrat wurde die Vorlage mit 63:8 Stimmen angenommen. Dieses erstaunlich deutliche Ergebnis zeigt, dass das Vorhaben bei den städtischen Parteien breit abgestützt ist. Sie beurteilten den Verpflichtungskredit als logischen nächsten Schritt zur Realisierung der Überbauung. Und im Stadtrat hat sich offensichtlich auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Bau gemeinnütziger Wohnungen ein geeignetes Mittel ist, um dem in der Stadt Bern herrschenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum entgegenzuwirken.
Die Überbauung im Viererfeld könnte einen Beitrag zur Lösung des Wohnungsmangels leisten.
Dass dies funktioniert, beweisen nicht zuletzt die in den letzten Jahren auf genossenschaftlicher Basis errichteten Familienwohnungen, in welchen das Prinzip der Kostenmiete in die Praxis umgesetzt wurde. So kosten beispielsweise die 5,5-Zimmerwohnungen an der Hubergasse in Holligen, die bewusst kostengünstig geplant und eingerichtet wurden, laut Webseite netto 1‘100 Franken. Die 5,5-Zimmerwohnungen in den bereits bezogenen Wohnungen im Warmbächli, die einen wesentlich höheren Ausbaustandard aufweisen, kosten zwischen 2‘150 und 2‘470 Franken netto. Und die ebenfalls hochwertigen 5,5-Zimmerwohnungen in der neuen Überbauung im Burgernziel kosten zwischen 1‘900 und 2‘100 Franken netto. Das ist zwar auch nicht wenig Geld, aber in allen Fällen massiv weniger, als vergleichbare Wohnungen auf dem angeblich so freien Markt kosten.
Selbstverständlich werden die auf dem Viererfeld und dem angrenzenden Mittelfeld geplanten rund 600 gemeinnützigen Wohnungen den Wohnungsmangel in der Stadt Bern nicht beseitigen. Wird das Prinzip der Kostenmiete aber auch in diesen zukünftigen Überbauungen strikte beachtet, so wird dies doch ein weiterer Beitrag zu einem Bestand an Wohnungen sein, die der Spekulation entzogen sind und daher auch langfristig bezahlbar bleiben sollten.
Erneute Grundsatzdiskussion
Das aber scheint die Gegnerinnen und Gegner der Abstimmungsvorlage nicht besonders zu interessieren. Dass es bezahlbaren Wohnraum braucht, stellen sie zwar nicht grundsätzlich in Frage. Sie sorgen sich aber um die städtebauliche Qualität des Projekts oder sie sind aus Prinzip gegen die Errichtung von Gebäuden auf bisher nicht überbautem Land.
Beides ist legitim. Man darf sich allerdings fragen, ob die wiederholte Diskussion architektonischer Grundsatzfragen zum jetzigen Zeitpunkt noch sinnvoll ist. Die Zonenpläne sind rechtskräftig erlassen, und im städtebaulichen Wettbewerb hat dasjenige Projekt obsiegt, welches die zuständige Fachjury für das geeignetste hielt. Dass andere Planerinnen und Planer, insbesondere auch diejenigen, die ebenfalls am Wettbewerb teilgenommen, aber nicht gewonnen haben, andere Lösungen bevorzugt hätten, ist nicht weiter überraschend.
Bei alle dem bleibt unklar, welches Ziel denn überhaupt verfolgt wird.
Und selbstverständlich darf auch die Frage erneut gestellt werden, ob denn im Viererfeld überhaupt gebaut werden soll. Das ist nicht mehr als konsequent bei Leuten, die sich grundsätzlich und überall gegen die Einzonung unbebauten Landes zur Wehr setzen. Es ist etwas weniger konsequent bei Vertreter*innen der SVP, die im Vorfeld desselben Abstimmungswochenendes vehement für den Neubau von Umfahrungsstrassen im Emmental und im Oberaargau eintreten, welche unendlich viel mehr unverbautes Land beanspruchen.
Bei alle dem bleibt unklar, welches Ziel denn überhaupt verfolgt wird. Eine Ablehnung der Verpflichtungskredite hätte nämlich nur zur Folge, dass die Stadt eine neue Kreditvorlage für den Bau der Strassen und der Infrastruktur ausarbeiten und zur Abstimmung bringen müsste. Der Zonenplan bliebe in Kraft und auch das Ergebnis des Wettbewerbs würde nicht in Frage gestellt. Das Projekt würde also zwar verzögert, aber in Bezug auf die beanstandeten Punkte würde sich nichts ändern.
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Weitere Abstimmungen werden folgen
Die gleichen Grundsatzfragen werden daher wohl auch bei zukünftigen Abstimmungen über das Viererfeld wieder gestellt werden. Denn solche Abstimmungen wird es mit Sicherheit geben. So müssen auf dem Areal früher oder später noch weitere öffentliche Einrichtungen wie z.B. Schulräume oder Kindergärten gebaut werden. Auch dafür werden Verpflichtungskredite notwendig sein, und auch diese werden von den Stimmberechtigten bewilligt werden müssen.
Der Streit ums Viererfeld wird daher noch lange weitergehen. Dabei wird wohl auch bei den kommenden Abstimmungen nicht über die jeweilige Vorlage diskutiert werden, sondern über das Pro und Kontra der ganzen Überbauung. Das ist vielleicht ärgerlich, aber auch nicht weiter schlimm, denn so funktioniert halt unsere direkte Demokratie.