Am Ende des Werks «Das Prinzip Hoffnung» von Ernst Bloch stehen die Sätze: «Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne Entäusserung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.»
Das ist eine Utopie, vielleicht die Utopie. Die Sätze kommen mir in den Sinn im Zusammenhang mit dem Projekt «Lunaire» im Anliker-Keller an der Gerechtigkeitsgasse 73 in Bern und Keller nebenan. Eine Gruppe von Musiker*innen realisiert dort gerade ihre Utopie. Das Wort «Lunaire» ist entlehnt oder abgeleitet von Arnold Schönbergs Werk «Pierrot Lunaire» aus dem Jahr 1912. Und der Ort ist inspiriert durch Inklusion und Teilhabe.
Nach einem Eröffnungsfest am 4. November soll es im Frühjahr 2024 wirklich losgehen. Geplant ist ein Konzert- und Begegnungsort. Er soll sich einreihen in die Tradition der Berner Untergrundkultur und doch anders sein. Zusätzlich zur steilen Steintreppe führt ein Lift in die Tiefe. Konzerte wird es dort geben, Diskussionen, Kurse, auch gemeinsames Musizieren. Laien sind willkommen, die Musik-Profis wollen nicht abgehoben sein, sondern einladend, auf – wie man sagt – Augenhöhe. Das musikalische Spektrum reicht von klassischer Kammermusik über neue E-Musik bis zu Jazz und darüber hinaus.
Im Zentrum stehen Begegnung und Vermittlung sowie die Liebe zur Musik und zum einzelnen Werk. Die Initiant*innen wollen ihre Liebe zur Musik teilen mit dem Publikum. Der Ort ermöglicht durch die Nähe Begegnungen mit den Spielenden; und er stiftet durch die Gespräche eine grössere Nähe zur Musik. Was und wie gespielt wird, soll erklärt werden. Musik nicht nur für Eingeweihte, sondern für alle, besonders auch für junge Menschen. Spontaneität ist erwünscht.
Wie funktioniert dies? «Lunaire» wird betrieben von einem Verein. Die Mitglieder bezahlen einen Beitrag. Die Konzerte kosten Eintritt, Kurse eine Gebühr. Die Musiker*innen, die «Lunaire» bilden, musizieren teilweise selbst, teilweise treten Künstler*innen aus einem weiten internationalen Kreis auf.
Die Initiant*innen sind bekannte Künstler*innen: die Cellistin Imke Frank, der Bratschist Patrick Jüdt, die Klarinettistinnen Donna und Ernesto Molinari, der Cellist François Poly. Seit langem spielen sie zusammen, etwa im Ensemble Le tre C‘ und unterrichten an verschiedenen Musikhochschulen. Viel haben sie sich vorgenommen, gross ist ihr Enthusiasmus – es wäre toll, wenn ihr Traum in Erfüllung ginge. Dazu braucht es nur noch – uns. Und den Mond, der in den Keller scheint.
Keller Gerechtigkeitsgasse 73. Eröffnung am 4. November ab 17:30 Uhr. .