Der Matteschnägg: Und er fährt doch

von Sophie Muralt 19. Mai 2020

Anfang Juli letztes Jahr war es die Sensation: Ein Bus, gesteuert nicht von Menschenhand, sondern von künstlicher Intelligenz, der der Aare entlang schleicht. Der selbstfahrende Bus von BERNMOBIL ist inzwischen seit gut einem halben Jahr im Testbetrieb unterwegs und scheint bereits einige seiner Kinderkrankheiten auskuriert zu haben.

Fahren oder nicht fahren, das ist im Quartier die vielgestellte Frage, oder präziser: «Fährt er oder fährt er nicht?» «Hat ihn heute schon jemand von euch gesehen?» «Soll ich warten?» Er ist ein bisschen wie ein Blind Date, unser Matteschnägg. Manchmal kommt er, manchmal lässt er einen warten und manchmal taucht er einfach gar nicht auf. Grundsätzlich aber gilt: Montag bis Freitag von 11 bis 19 Uhr ist der Matteschnägg ganz selbstständig zwischen Marzilibahn und Bärenpark unterwegs und gibt sich alle Mühe, auch ohne die anfänglichen Trottinetteskorten seinen Weg zu finden.

Ein Viertel des zweijährigen Pilotbetriebs ist vorbei und es zeigt sich, die künstliche Intelligenz des «fahrenden Toasters» scheint durchaus lernfähig. Wo anfangs noch sehr viel Unbeholfenheit und Verwirrung in der Einschätzung seiner Umgebung sichtbar wurde, ist nach sechs Monaten doch schon etwas mehr Souveränität im Umgang mit anderen Verkehrsteilnehmenden erkennbar. Wo anfangs ein bisschen umherwirbelndes Laub auf der Strasse die arme künstliche Intelligenz beinahe in einen kompletten Nervenzusammenbruch stürzte, und den Bus mitten auf der Strasse hilflos um sich blinkend erstarren liess, sind heute selbst Verkehrsteilnehmende auf der Gegenfahrbahn kein Grund zur Panik mehr für den Matteschnägg. Souverän fährt der Bus bei Engpässen mit seinen bis zu acht Passagieren an den Strassenrand, blinkt vorsichtshalber immer noch wie wild, und lässt den Gegenverkehr passieren. Anschliessend setzt er seine Fahrt meistens problemlos fort. Im Schritttempo.

 

Quelle: BrunneZytig Nr. 1/2020 vom 20. März 2020