Der lange Kampf des Kurt Blum

von Dorothe Freiburghaus 8. Juli 2013

In den 50er und 60er Jahren schrieb Bern internationale Kunstgeschichte. Der Berner Kurt Blum hat sie abgelichtet. Im Kornhausforum können wir ihr begegnen.

Da sind sie, viele der international bedeutenden Künstler, die Kunstgeschichte geschrieben haben. Einst greifbar in der Kunsthalle und in Berns Beizen, heute im Kornhaus an den Wänden. Der Berner Kurt Blum (1922 – 2005) hat sie für uns festgehalten in stimmungsvollen Fotografien, die mich sofort magisch anziehen.

In den 50er und 60er Jahren, als Arnold Rüdlinger und später Harald Szeemann die Kunsthalle leiteten, als die halbe Welt nach Bern sah, bevölkerten sie die Stadt. In der Kunsthalle, in Galerien, in den Gassen und Beizen wurde diskutiert, kritisiert und philosophiert, gegessen, getrunken, getanzt und geraucht bis in die frühen Morgenstunden.

Fernand Léger, in Gilet und Jacke, schaut kritisch unter seinem Hut hervor. Marc Chagall setzt sich mit dem eigenen Schatten auf seinem Bild in Szene. Le Corbusier steht da mit konzentriertem Blick. Aus tiefem Schwarz leuchten Gesicht und Hand von Philipp Martin. Sam Francis überprüft von der Leiter herab seine am Boden liegenden Bilder. Pablo Picasso, hell nur das Gesicht, schaut einmal mehr prüfend in die Welt. Die Gestalt von Dieter Roth hat der Fotograf dunkel hinterlegt. Max Gubler, am Porträtieren, sucht auf hellem Papier nach dem richtigen Ausdruck.

Kurt Blum war fasziniert von den Künstlern, die immer unterwegs sind, bereit Erspürtem nachzugehen, es zu fassen, die passende Form zu suchen. Wie und wo entsteht Kunst? Er lichtete die Künstler an der Arbeit, in Diskussionen, beim Lachen und Denken, an Vernissagen und Festen ab. In ihren Ateliers, deren Atmosphäre er einmal spröd und kühl, einmal sinnlich und warm erlebte, begegnete er dem Leben für die Kreativität.

Der Fotograf selbst hat in seinen schwarz-weissen Aufnahmen erfinderisch, mit all den ihm zur Verfügung stehenden technischen Finessen, um das Licht gerungen. Langsam gibt die Dunkelheit Gesichter, Köpfe, Silhouetten frei, eine Gestalt in Bewegung, beobachtend, sinnend, geblendet von Helligkeit entsteht. Kurt Blum hat das Licht, seine Intensität und Führung als Möglichkeit erkannt, seinem subjektiven Empfinden Ausdruck zu verleihen, selbst eine ihm entsprechende Form zu finden und sich künstlerisch zu äussern. Was ihn und auch uns Betrachter fasziniert, der fortwährende Versuch einen Gedanken, ein Empfinden in einem Bild festzuhalten, hat Kurt Blum in seiner Fotografie realisiert.

Kurt Blum lässt uns teilhaben an der Atmosphäre im kaum einsehbaren Atelier von Mark Rothko. Wir erleben Scean Scully vor seinen Farbtöpfen (seine Werke wurden im letzten Jahr im Kunstmuseum Bern ausgestellt). Alberto Giacomettis Hände formen hingebungsvoll vor irisierendem Hintergrund eine handgrosse Figur. Meret Oppenheim, noch ganz jung, lacht für einmal unbeschwert vor hellem Bildgrund. Am Fest im Schloss Bremgarten dann lässt der Fotograf Beine, Strümpfe, Füsse, Stöckelschuhe, Herrenschuhe, Sandaletten, Twist tanzen.

Im Kornhausforum begegnen wir einer frühen künstlerischen Gestaltung der Fotografie als eigenständigem Medium. Kurt Blum hat – was heute selbstverständlich ist – für seine Anerkennung als Fotograf und Künstler ein Leben lang gekämpft.

Zum ersten Mal wird sein fotografisches Werk in der ganzen Breite in Bern gezeigt. Von seinen Anfängen als eigenwilliger Reporter führt Kurt Blums Weg in die italienische Stahlindustrie, auf und hinter die Bühne zu den Opernsängerinnen, in die Künstlerateliers und schliesslich zu ganz eigenen Lichtzeichnungen. Wir begegnen einem grossen Fotografen und Berns Kunstleben in einer grossen Zeit.